Thierham: Sehr originelle Kapelle eines „scheuen Waldlers“ – Serie Wallfahrtsorte Teil II
Die Passauer Jugendfußwallfahrt nimmt heuer nicht nur Altötting, sondern viele Wallfahrtsziele im Bistum Passau in den Blick. Im zweiten Teil unserer Serie: eine kleine Waldkapelle in Thierham, wie man sie sonst wohl nirgendwo findet.
Eine Wallfahrt ist in gewissem Sinne auch immer eine Art Entdeckungsreise – Kapellen und Wegkreuze gibt es in Bayern jedenfalls viele zu entdecken. Warum also nicht mal eine kleine unbekannte Kapelle aufsuchen? Noch dazu im schönen Bayerischen Wald? Wer sich etwa auf den Weg macht von Hauzenberg über Krinning nach Wegscheid, den überrascht mitten in einem Buchenwald eine kleine, sehr persönlich und individuell gestaltete Kapelle mit Schnitzereien und Ornamenten, die an Russland und an den Orient erinnern. Wer genauer nachfragt, wird erfahren, dass diese vor rund 200 Jahren von einem „scheuen Waldler“ mit viel Herzblut erbaut wurde und nach wie vor von Anwohnern liebevoll gepflegt wird. Wer noch genauer nachfragt, wird vielleicht sogar von einer Spukgeschichte erfahren.
„Originelles Beispiel bayerischer Volkskunst des 19. Jahrhunderts“, informiert das Denkmalamt über die Kapelle „Maria vom guten Rat“ in Thierham in der Pfarrei Sonnen – 1828 geweiht, sei sie „… das auch künstlerisch nicht uninteressante Ergebnis jahrelangen, stetig verbessernden Schaffens eines einfachen Silberarbeiters, des Matthiasen Thommerl von Thierham“. Dieser war als Soldat während der Napoleonischen Kriege 1812/13 vom Russland-Feldzug zurückgekehrt, hatte im Falle der Heimkehr den Bau einer Kapelle gelobt und dabei u.a. seine Eindrücke russisch-orthodoxer Kirchen verarbeitet. Laut Denkmalschutzamt gab es an der Kapelle früher auch eine „reiche Ausstattung mit Votivtafeln“, was für eine rege Wallfahrt spricht – diese sind jedoch im Laufe der Jahre verloren gegangen (oder gestohlen worden).
Hatte schon der Erbauer viel Herzblut in die Kapelle investiert, so gilt dies auch für die Anwohner heute. Gabriele Seibold, Vorsitzende des Pfarrgemeinderates in Sonnen, informiert über eine jährlich stattfindende Sternwallfahrt zum Festtag Mariä Himmelfahrt am 15. August, über regelmäßig stattfindende Maiandachten, und dass Anwohner aus der Region hier sehr gerne mal zum persönlichen Gebet vorbeikommen und die Kapelle pflegen.
Impressionen
Besonderes Engagement investierte der Heimat- und Trachtenverein D’Freudenseer
Besonderes Engagement investierte der Heimat- und Trachtenverein D’Freudenseer: dieser hatte die Kapelle 1978 in Absprache mit Diözesanbau- und Denkmalamt aufwändig renoviert und wegen eines Straßenbaues um zehn Meter versetzt. Die „Außenhaut“ sei neu, informiert Adolf Möckl vom Trachtenverein, „die gesamte Inneneinrichtung, der Altar, die Figuren und die Tafeln in und an der Kapelle“ seien original restauriert und wieder eingebaut worden.
Adolf Möckl hat auch intensiv zur Geschichte der Waldkapelle recherchiert und dabei u.a. einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1925 ausgegraben, der Unheimliches erzählt: von einer Legende über einen schwarzen Ritter auf feurigem Ross, der einen fluchenden Jäger mit sich nahm – seit an jenem Kreuzweg im Wald die kleine Kapelle steht, seien diese und weitere Spukgestalten jedoch nicht mehr gesehen worden. Dennoch berichtet Adolf Möckl, dass „wir uns (damals) als Schulkinder bei Nacht sehr ungern an dieser Kapelle vorbeitrauten“. Insbesondere jugendliche Wallfahrer mögen diese Legende vielleicht ganz gerne mal direkt vor Ort nachprüfen …
Text: Michael Glaß, Fotos: Gabriele Seibold
Tipps & Infos
„Vereint in Maria“ – Passauer Jugendwallfahrt 2021
„Getrennt unterwegs – aber vereint in Maria“ lautet heuer das Motto der Passauer Jugendfußwallfahrt. Corona-bedingt können auch heuer leider nicht über 6.000 Pilger gemeinsam nach Altötting gehen. Stattdessen haben sich die Verantwortlichen Alternativen überlegt: die Teilnehmer können ja – je nach Corona-Lage – in kleineren Pfarrei‑, Kommunion‑, Firm‑, Jugendverbandsgruppen oder auch im Privatverbund ins „Herz Bayerns“ aufbrechen – oder einen der vielen anderen kleinen Wallfahrtsorte im Bistum Passau ansteuern. Vorgesehen ist dieses Mal ein längerer Wallfahrtszeitraum: Start ist am Palmsonntag, 28. März 2021, Ende am Jugendbekenntnissonntag, 21. November 2021. Als kleinen Anhaltspunkt für die jugendlichen und jung gebliebenen Wallfahrer – und als Tipp für unsere Leser – wollen wir nun in einer Serie einige der über 100 Wallfahrtsorte im Bistum Passau vorstellen.