Die Passauer Jugendfußwallfahrt nimmt heuer nicht nur Altötting, sondern viele Wallfahrtsziele im Bistum Passau in den Blick (siehe unten). Im 15. Teil unserer Serie: Die Wallfahrtskirche „Zur Schmerzhaften Muttergottes“ in Halbmeile bei Deggendorf – und eine Geschichte über ein Gespenst und einen wütenden Reiter mit Säbel und Pistole. Außerdem ein Abstecher in ein sehr berühmtes Kloster.
Ein jeder kennt die Darstellung der Schmerzhaften Muttergottes mit sieben Schwertern im Herzen. Eine solche findet sich auch in Halbmeile. So weit so gut. Bei näherem Hinsehen fällt jedoch auf: das Gnadenbild hat auch ein Einschussloch unter der linken Hand. Das ist dann doch ziemlich ungewöhnlich.
Die Erklärung findet sich auf einem Fresko im Kirchenschiff. Das Gemälde zeigt einen wild gewordenen Reiter, der mit seiner Pistole auf den Bildstock mit dem Gnadenbild schießt. Darunter steht der Spruch: „Gott lässt seiner nicht spotten.“ Die Geschichte dazu vom 29. April 1690 ist überliefert: der Kurassier (Anm.: ein mit Brustpanzer ausgestatteter Kavallerist) Philipp Klein war wütend. Der Grund: er litt unter einer Krankheit, und auch eine mehrfache Behandlung beim Bader in Deggendorf half nichts gegen seine Leiden. Verzweifelt wie er war, hätte er jetzt wie so viele zur Muttergottes pilgern und beten und auf ein Wunder hoffen können, stattdessen aber ließ er seiner Wut freien Lauf: erst schoss er auf Maria – eine Kugel steckt heute noch im Herzen des Gnadenbildes –, dann schlug er auch mit seinem Säbel auf das Bildnis ein. Das war keine kluge Idee. Als er sich nämlich betrunken auf den Rückweg zu seinem in Hengersberg stationierten Regiment machte, sträubte sich sein Ross und katapultierte ihn ins Gebüsch. Bauern entdeckten den Schwerverletzten und betteten ihn auf ein Strohlager. Doch die Hilfe kam zu spät. Auch den Beistand eines Geistlichen lehnte der zornige Soldat fluchend ab. Als Philipp Klein seinen letzten Atemzug tat, steckte sein Ross noch kurz seinen Kopf zum „Abschiedsgruß“ durch das Fenster. Wie lehrt der Volksmund? Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen …
Weitere Fresken in der Kirche erzählen von den einzelnen Stationen der Wallfahrtsgeschichte in Halbmeile, die bereits recht abenteuerlich begonnen hatte: entstanden ist sie im Jahr 1672, als der Deggendorfer Rechtsanwalt Johann Gotthard Wigant im Wald von einem Gespenst erschreckt worden war und daraufhin den Bau eines Bildstocks gelobte.
Auch von einem Wunder berichtet ein Gemälde. Diesem jedoch ging ein Streit voraus: dass die Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes in Halbmeile – in der eine halbe Meile von Deggendorf entfernten Holzkapelle (daher der Name) – so beliebt war, missfiel den Benediktinern in der nahen Abtei Niederalteich; plötzlich kamen immer weniger Pilger zur Schmerzhaften Muttergottes in der Niederalteicher Basilika – die spätgotische Sandsteinplastik (um 1500) ist übrigens heute noch zu bewundern. Die Benediktiner wandten sich an den Bischof, und als der Dechant Hofmair die Kapelle abreißen lassen wollte, wurde dieser schwer krank, gelobte sich der Gottesmutter, wurde plötzlich gesund – und dann kamen noch mehr Wallfahrer nach Halbmeile. 1737 wurde die Kapelle schließlich vom Passauer Domkapitular offiziell geweiht, über 1.000 Votivtafeln – von denen heute nur noch wenige erhalten sind – berichteten von wundersamen Rettungen und Heilungen.
Zwischen 1779 und 1783 entstand schließlich der heutige Kirchenbau in Halbmeile – eine lichte, freundliche Rokokokirche mit einem Hochaltarbild (Pietà) und Fresken des Münchner Hofmalers Christian Wink – und einer nach wie vor lebendigen Wallfahrt zu einem Gnadenbild, das hilft, das aber auch mahnt: unsere Wut sollten wir stets im Zaum halten …
Tipp: das Kloster in Niederalteich ist nur rund eine Wegstunde an der Donau entlang von Halbmeile entfernt und eine kleine Wallfahrtsreise allemal wert, denn hier gibt es viel zu entdecken: eine reich ausgestattete Hallenkirche, ein Kloster mit über 1.200-jähriger Geschichte, eine engagierte Benediktiner-Gemeinschaft, die nicht nur in der Seelsorge aktiv ist, sondern auch eine Landvolkshochschule, einen Klosterladen, einen Klosterhof, … betreibt.
Text: Michael Glaß, Fotos: Dionys Asenkerschbaumer
Tipps & Infos
Mehr Informationen zur Wallfahrtskirche Halbmeile (Halbmeile 3, 94469 Deggendorf) beim Pfarrverband Niederalteich, E‑Mail: pfarramt.niederalteich@bistum-passau.de; Tel.: 09901/903388.
„Vereint in Maria“ – Passauer Jugendwallfahrt 2021
„Getrennt unterwegs – aber vereint in Maria“ lautet heuer das Motto der Passauer Jugendfußwallfahrt. Corona-bedingt können auch heuer leider nicht über 6.000 Pilger gemeinsam nach Altötting gehen. Stattdessen haben sich die Verantwortlichen Alternativen überlegt: die Teilnehmer können ja – je nach Corona-Lage – in kleineren Pfarrei‑, Kommunion‑, Firm‑, Jugendverbandsgruppen oder auch im Privatverbund ins„Herz Bayerns“ aufbrechen – oder einen der vielen anderen kleinen Wallfahrtsorte im Bistum Passau ansteuern. Vorgesehen ist dieses Mal ein längerer Wallfahrtszeitraum: Start ist am Palmsonntag, 28. März 2021, Ende am Jugendbekenntnissonntag, 21. November 2021. Als kleinen Anhaltspunkt für die jugendlichen und jung gebliebenen Wallfahrer – und als Tipp für unsere Leser – wollen wir nun in einer Serie einige der über 100 Wallfahrtsorte im Bistum Passau vorstellen.