Ich persönlich hatte dieses Gefühl am Abend des 13. März 2013, als es hieß: „Habemus papam! Wir haben einen neuen Papst, und der gibt sich den Namen Franziskus.“ An jenem Abend saß ich vor dem Fernseher und dachte nur: „Wow, Franziskus!“ Ich konnte es kaum fassen. Es lief mir heiß und kalt den Rücken runter. Ich hatte Tränen in den Augen und bekam eine Gänsehaut. Sollte es dieser neue Papst wirklich ernst meinen mit dem Namen Franziskus, dann können wir uns auf etwas gefasst machen. Dies war einer der Augenblicke in meinem Leben, in dem ich spontan dachte: „Es gibt ihn eben doch, den Heiligen Geist!“
Immer dann, wenn im Leben etwas in Bewegung gerät, wenn Schwung reinkommt, wenn eine Sache so richtig Fahrt aufnimmt – dann hat man schon mal dieses Gefühl: Na, wenn das mal nicht der Heilige Geist gewesen ist! Nur, mit dem Heiligen Geist ist das so eine Sache. Wenn etwas in Bewegung gerät, dann sind keineswegs immer alle nur begeistert. Was für die einen mit dem Heiligen Geist zu tun hat, ist für die anderen womöglich ein Quälgeist oder ein Unruhestifter, der alles durcheinanderbringt. Es heißt ja nicht umsonst: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern.“
Man redet heute gerne von Inspiration. Auch die Kirche redet ständig von Aufbruch und Bewegung. Und dann spricht sie auch gerne vom Heiligen Geist. Aber wehe, wenn der Heilige Geist dann weht – und am Ende auch noch so, wie wir selber es gar nicht geplant haben! Denn der Heilige Geist weht ja bekanntlich, wo er will. „Du hörst sein Brausen“, heißt es im Johannesevangelium, „aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht“ (Joh 3,8).
„Trauen wir dem Heiligen Geist zu, dass er vielleicht gerade dort weht, wo die Dinge eben nicht mehr so gehen wie früher?“
50 Tage nach Ostern feiert die Kirche das Pfingstfest. Anlass, ein wenig über den Heiligen Geist nachzudenken. Schauen wir in die Bibel, dann kommen wir zu interessanten Erkenntnissen. In der hebräischen Sprache des Alten Testaments gibt es für den Geist Gottes den Begriff „ruach“. Dieses Wort ist weiblich und bedeutet Wind, Atem, Hauch. Im Alten Testament bewirkt der Atem des Herrn die Schöpfung. Er hat eigentlich immer etwas zu tun mit dem Geschaffen-Werden, mit dem Neu-Werden, mit Kreativen (creatio = Schöpfung). „Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle geschaffen“, heißt es in Psalm 104. In der griechischen Sprache des Neuen Testaments gibt es für den Geist das Wort „pneuma“. Zu deutsch: Wirbel, Windhauch oder auch Winddruck. Im Johannesevangelium begegnet uns auch noch das Wort paraklet: der Tröster, der Beistand. Maria empfängt Jesus „durch den Heiligen Geist“ (Lk 1,35). Auch damit beginnt etwas Neues. Der Heilige Geist kommt bei der Taufe auf Jesus herab (Mt 3,13−17). Auch damit beginnt etwas Neues.
Und Jesus sagt seinen Jüngern in den sogenannten Abschiedsreden des Johannesevangeliums: „Es ist gut für euch, dass ich von euch fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Auch das darf man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Sinngemäß wird da gesagt: Es ist gut, dass ich fortgehe. Es ist gut, dass ihr in die Krise geratet. Es ist gut, dass ihr erst einmal orientierungslos seid. Es ist gut, wenn ihr mal nicht weiter wisst. Ihr müsst da sozusagen durch. Wie das Kind durch den Geburtskanal durch muss. Wie Jesus durch Kreuz und Tod hindurchmusste, so müsst auch ihr, so muss auch die Kirche durch manches hindurch. Und das alles hat etwas mit mir, dem Heiligen Geist, zu tun.
Christian Schütz hat es im Lexikon für Spiritualität auf den Punkt gebracht: „So steht die Kirche ganz unter dem Gesetz des Geistes, das auf ein Neu-Werden und Sich-wandeln-Lassen zielt. Der Geist zwingt die Kirche, dass sie fortwährend sich selber überschreitet auf Gott hin sowie auf die Welt und ihre Heimholung hin. Wenn die Kirche Ort und Sakrament des Geistes ist, dann besitzt ihr Leben und Tun einen ausgesprochen spirituellen Charakter. Sie selber soll und will nicht mehr sein als Bau, Wohnung oder Tempel Gottes. Das wird sie um so mehr sein, je mehr sie im Geist um ihre eigene Relativität weiß und bemüht ist.“
Neu-Werden, Sich-wandeln-lassen, sich fortwährend selber überschreiten auf Gott hin, um die eigene Relativität wissen – das sind die Geistes-Haltungen, an die uns das Pfingstfest jedes Jahr neu erinnert.
Trauen wir dem Heiligen Geist zu, dass er vielleicht gerade dort weht, wo die Dinge eben nicht mehr so gehen wie früher? Trauen wir dem Heiligen Geist zu, dass er vielleicht gerade dort am Werke ist, wo wir in die Krise geraten? Könnte der Heilige Geist vielleicht gerade dort sein Wesen treiben, wo es für uns unruhig und unbequem wird? Und wenn es denn so wäre – wovor haben wir denn dann eigentlich Angst?
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein frohes Pfingstfest – und die Bereitschaft zur Unruhe.
Text: Bruder Christophorus Goedereis OFMCap