„Ich würde nie aus der Kirche austreten“

Michael Glaß am 10.11.2020

2020 11 09 aoelfb ottfried fischer und michael glass Foto: Simone Fischer
Schauspieler und Kabarettist Ottfried Fischer (l.) mit dem Redakteur des Altöttinger Liebfrauenboten, Michael Glaß.

Als Schauspieler und Kabarettist ist Ottfried Fischer (*1953) deutschlandweit bekannt. Nun wird er als Autor für den „Altöttinger Liebfrauenboten“ und das „Passauer Bistumsblatt“ schreiben (s.u.). Im Interview spricht er über Kirche und Glaube, wieso er in der Kirche bleibt und wieso diese den „Spott“ nicht fürchten muss.

Herr Fischer, als Pfar­rer Braun (TV-Serie) sind Sie deutsch­land­weit bekannt – und als Pries­ter sehr beliebt. Hät­ten Sie nicht doch bes­ser Pfar­rer wer­den sol­len?
Ott­fried Fischer:
Wenn jemand wie ich in einem Kna­ben­in­ter­nat (Maris­ten­gym­na­si­um in Fürs­ten­zell) von geist­li­chen Her­ren gelei­tet wird, dann hat er eine Zeit­lang den Wunsch Pfar­rer zu wer­den. Das ver­geht aber wie­der. Mei­ne Mut­ter hät­te das auch nicht gewollt, obwohl sie eine sehr from­me Frau war.

Was bedeu­tet Ihnen denn der katho­li­sche Glau­be und wie ste­hen Sie zur katho­li­schen Kir­che?
Ott­fried Fischer:
Der Katho­li­zis­mus hat in mir etwas ange­häuft, bei dem ich nicht exakt weiß, was es ist: Ist es Glau­be oder ist es ein stän­di­ges Déjà-vu, weil ich katho­lisch auf­ge­wach­sen bin, oder weil das etwa eine Rol­le wie die des Pfar­rers Braun mit sich bringt? Ich wür­de trotz­dem nicht aus der Kir­che aus­tre­ten. Auch nicht, obwohl ich den Katho­li­zis­mus mit einem welt­an­schau­li­chen Trach­ten­ver­ein ver­glei­chen möch­te, der in mir ver­an­kert ist und mit dem ich, wenn ich ihn raus­rei­ßen müss­te, so viel Wich­ti­ges in mei­nem Leben mit Stumpf und Stil aus­rei­ßen müss­te, sodass mir da wahn­sin­nig viel ver­lo­ren gin­ge. Und ein sen­ti­men­ta­ler Hund wie ich bin, blei­be ich schon allei­ne des­we­gen Katholik.

Wel­cher wich­tigs­te Punkt gin­ge ver­lo­ren?
Ott­fried Fischer:
Die Sozia­li­sa­ti­on. Katho­lisch zu sein ist in Bay­ern selbst­ver­ständ­lich und man weiß die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit zu schät­zen. Auch wenn es vie­le Unge­reimt­hei­ten in einem sol­chen Glau­bens­ge­bil­de gibt.

2020 11 09 aoelfb ottfried fischer Foto: Simone Fischer
Schauspieler und Kabarettist Ottfried Fischer.

An Ihrer Rol­le des Pfar­rers Braun merkt man jeden­falls, dass Sie den katho­li­schen Glau­ben, sei­ne Befind­lich­kei­ten, sei­ne Ritua­le, etc. sehr ernst neh­men …
Ott­fried Fischer: Ich habe an die­se Rol­le zumin­dest die glei­chen Anfor­de­run­gen gestellt wie an alle Rol­len, die ich gespielt habe. Ich habe auch hohe Anfor­de­run­gen an das Dreh­buch gestellt: das Vater­un­ser zum Bei­spiel darf nicht am Anfang der Lit­ur­gie ste­hen, nur weil es das Dreh­buch so meint. Mir haben sehr vie­le ech­te“ Pfar­rer bestä­tigt – die mich übri­gens oft wie Amts­brü­der behan­deln –, dass ich in der Rol­le als Pfar­rer alles rich­tig gemacht habe. Da fällt mir noch ein Bei­spiel aus einer Fol­ge in Dres­den ein. Hier hat­te Pfar­rer Braun eine Aus­ein­an­der­set­zung mit einer SED“-Feuerwehr-Hauptfrau. Die fuhr mit einem Feu­er­wehr­au­to vor die Kir­che und begann aus­ge­rech­net in dem Moment ein Hup­kon­zert, als ich in dem Film die Wand­lung voll­zo­gen hat­te. Gegen die Regie­an­wei­sung habe ich die kon­se­krier­te Hos­tie und den Wein erst in den Taber­na­kel gestellt und bin dann erst aus der Kir­che, um die Ange­le­gen­heit zu klä­ren. Was hei­lig ist, das muss man mei­ner Mei­nung auch so dar­stel­len. Der ech­te“ Pfar­rer kam nach­her zu mir und hat sich bei mir bedankt. So war es recht und da kann auch der Herr­gott nichts dage­gen sagen. Auch bei der Serie Der Bul­le von Tölz“ habe ich gemein­sam mit Micha­el Ler­chen­berg, der den Prä­lat Hin­ter gespielt hat, viel theo­lo­gisch dis­ku­tiert und über­legt, wie wir die Kir­che rich­tig darstellen.

„Meine Großmutter hatte wirklich einen tiefen Glauben – was eine Gnade ist!"

Die Kir­che klagt über hohe Aus­tritts­zah­len. Wie kann die Kir­che auch heu­te eine wich­ti­ge Rol­le in der Gesell­schaft ein­neh­men?
Ott­fried Fischer: Wenn ich das wüss­te, dann wüss­te es die Kir­che auch schon! Ich bin ja gespannt, nach­dem ich hier in zwei Kir­chen­zei­tun­gen eine Glos­se unter die Leu­te tra­gen darf, die auch durch­aus kir­chen­kri­tisch ist, wie die­se auf­ge­nom­men wird. Dann wird sich ja zei­gen, ob der Katho­lik wirk­lich fröh­lich und selbst­kri­tisch sein kann und ob für ihn nach mei­nen Anmer­kun­gen noch viel Freu­de übrig bleibt.

Für einen kri­ti­schen Blick auf die katho­li­sche Kir­che haben Sie die Dar­stel­lungs­form der Glos­se gewählt. Was erhof­fen Sie sich von die­sem sati­ri­schen, bzw. spöt­ti­schen Blick auf die Kir­che?
Ott­fried Fischer:
Die Kir­che hat es in 2000 Jah­ren nicht zuge­las­sen, dass man sich über sie lus­tig macht. Doch Spott und Sati­re scha­den ihr nicht. Die Kir­che hat ja sehr vie­le gute Ein­rich­tun­gen. Ich den­ke, gera­de die Pries­ter, die das gan­ze Sys­tem auf­recht­erhal­ten, kön­nen so eini­ges ertragen.

Glau­ben Sie an den Him­mel?
Ott­fried Fischer: Ich mei­ne immer, dass es schon was gibt. Aber ob das der Him­mel ist? Das weiß ich nicht.

An was glau­ben Sie kon­kret?
Ott­fried Fischer:
Dass fünf Pfund Rind­fleisch eine gute Sup­pe geben! Ich habe kei­nen tie­fen Glau­ben. Auch trotz rund 20 Jah­re Par­kin­son-Krank­heit habe ich noch nicht die Situa­ti­on ken­nen gelernt, wonach die Not das Beten leh­re. Bei einer Podi­ums­dis­kus­si­on habe ich mal Kar­di­nal Karl Leh­mann (19362018) ken­nen­ler­nen dür­fen, den ich übri­gens sehr geschätzt habe. Der Kar­di­nal hat­te damals zuge­stan­den, dass er vie­le Zwei­fel habe.

Glau­be und Zwei­fel sei­en Geschwis­ter, heißt es doch …
Ott­fried Fischer:
Na dann kann das ja noch was wer­den! Mathe­ma­tisch aus­ge­drückt: Der Zwei­fel ist der Glau­be mit Plus-Minus-Zei­chen, und der Glau­be ist die lie­gen­de Acht, das Zei­chen für das Unend­li­che. Als mein Groß­va­ter gestor­ben ist, sag­te damals mei­ne Groß­mutter, sie habe nun ihren Ehe­mann in ein ande­res Zim­mer gehen las­sen – und sie wuss­te, dass sie nach­kom­men wür­de – das war Glau­be! Ich habe immer gemeint, mei­ne Oma ist eine gute Schau­spie­le­rin. Aber heu­te den­ke ich: sie hat­te wirk­lich einen tie­fen Glau­ben – was eine Gna­de ist! Wenn es ans Ster­ben geht, ist gläu­big sein bes­ser als ungläu­big sein.

Noch sind Sie unter den Leben­den und nach mei­nem Ein­druck sehr leben­dig und immer auf Ach­se …
Ott­fried Fischer:
Eigent­lich nicht mehr so wie frü­her. Wir sind ja jetzt Rent­ner, die Simo­ne, mei­ne Frau, und ich. Aber es stimmt: wir sind schon ger­ne unter den Leu­ten – und ger­ne unter den letz­ten, die gehen. Wir sind Rum­trei­ber – jeden­falls dann, wenn nicht gera­de eine Pan­de­mie ist.

Inter­view: Micha­el Glaß 

„Ein Himmelreich für Spötter“ – Ottfried Fischer wirft einen satirischen Blick auf Kirche und Welt

Die katho­li­sche Kir­che wird ja häu­fig kri­ti­siert – mal berech­tigt, mal unbe­rech­tigt. Kri­ti­sche Stim­men kom­men von vie­len Sei­ten. Die Redak­teu­re des Alt­öt­tin­ger Lieb­frau­en­bo­ten“ und des Pas­sau­er Bis­tums­blatts“ neh­men frei­lich auch die­se Stim­men ernst. Ihnen fällt jedoch auf: nicht sel­ten kom­men die­se von Leu­ten, die längst nicht mehr in der Kir­che sind und nur noch wenig über sie wis­sen; und nicht sel­ten mischt sich Spott unter die Kri­tik. Daher der Gedan­ke: Wenn schon Kri­tik und Spott, dann wenigs­tens von einem ech­ten Pro­fi, der auch die katho­li­sche Kir­che bes­tens kennt.“ Ein sol­cher Pro­fi“ ist der Kaba­ret­tist und Schau­spie­ler Ott­fried Fischer: von klein auf katho­lisch sozia­li­siert und auch theo­lo­gisch und kir­chen­his­to­risch bes­tens geschult, kennt er die katho­li­sche Kir­che wie sonst nur weni­ge Kri­ti­ker und Spöt­ter“. Unter dem Mot­to Ein Him­mel­reich für Spöt­ter“ wird Ott­fried Fischer also in einer klei­nen Serie von Glos­sen im Alt­öt­tin­ger Lieb­frau­en­bo­ten und im Pas­sau­er Bis­tums­blatt einen kri­ti­schen Blick auf die katho­li­sche Kir­che und auf das aktu­el­le Zeit­ge­sche­hen wer­fen. Mit einer guten Por­ti­on Humor, aber auch mit uner­war­te­ter Kri­tik und über­ra­schen­dem Lob, möch­te er neue, kaum beach­te­te Per­spek­ti­ven eröff­nen. Die ers­te Glos­se Spöt­ter­däm­me­rung“ lesen Sie in den aktu­el­len Print­aus­ga­ben Nr. 46 – 2020 des Alt­öt­tin­ger Lieb­frau­en­bo­ten“ und des Pas­sau­er Bis­tums­blatts“. Wei­te­re Glos­sen sol­len in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den folgen.

Text: Micha­el Glaß

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