Als Schauspieler und Kabarettist ist Ottfried Fischer (*1953) deutschlandweit bekannt. Nun wird er als Autor für den „Altöttinger Liebfrauenboten“ und das „Passauer Bistumsblatt“ schreiben (s.u.). Im Interview spricht er über Kirche und Glaube, wieso er in der Kirche bleibt und wieso diese den „Spott“ nicht fürchten muss.
Herr Fischer, als Pfarrer Braun (TV-Serie) sind Sie deutschlandweit bekannt – und als Priester sehr beliebt. Hätten Sie nicht doch besser Pfarrer werden sollen?
Ottfried Fischer: Wenn jemand wie ich in einem Knabeninternat (Maristengymnasium in Fürstenzell) von geistlichen Herren geleitet wird, dann hat er eine Zeitlang den Wunsch Pfarrer zu werden. Das vergeht aber wieder. Meine Mutter hätte das auch nicht gewollt, obwohl sie eine sehr fromme Frau war.
Was bedeutet Ihnen denn der katholische Glaube und wie stehen Sie zur katholischen Kirche?
Ottfried Fischer: Der Katholizismus hat in mir etwas angehäuft, bei dem ich nicht exakt weiß, was es ist: Ist es Glaube oder ist es ein ständiges Déjà-vu, weil ich katholisch aufgewachsen bin, oder weil das etwa eine Rolle wie die des Pfarrers Braun mit sich bringt? Ich würde trotzdem nicht aus der Kirche austreten. Auch nicht, obwohl ich den Katholizismus mit einem weltanschaulichen Trachtenverein vergleichen möchte, der in mir verankert ist und mit dem ich, wenn ich ihn rausreißen müsste, so viel Wichtiges in meinem Leben mit Stumpf und Stil ausreißen müsste, sodass mir da wahnsinnig viel verloren ginge. Und ein sentimentaler Hund wie ich bin, bleibe ich schon alleine deswegen Katholik.
Welcher wichtigste Punkt ginge verloren?
Ottfried Fischer: Die Sozialisation. Katholisch zu sein ist in Bayern selbstverständlich und man weiß diese Selbstverständlichkeit zu schätzen. Auch wenn es viele Ungereimtheiten in einem solchen Glaubensgebilde gibt.
An Ihrer Rolle des Pfarrers Braun merkt man jedenfalls, dass Sie den katholischen Glauben, seine Befindlichkeiten, seine Rituale, etc. sehr ernst nehmen …
Ottfried Fischer: Ich habe an diese Rolle zumindest die gleichen Anforderungen gestellt wie an alle Rollen, die ich gespielt habe. Ich habe auch hohe Anforderungen an das Drehbuch gestellt: das Vaterunser zum Beispiel darf nicht am Anfang der Liturgie stehen, nur weil es das Drehbuch so meint. Mir haben sehr viele „echte“ Pfarrer bestätigt – die mich übrigens oft wie Amtsbrüder behandeln –, dass ich in der Rolle als Pfarrer alles richtig gemacht habe. Da fällt mir noch ein Beispiel aus einer Folge in Dresden ein. Hier hatte Pfarrer Braun eine Auseinandersetzung mit einer „SED“-Feuerwehr-Hauptfrau. Die fuhr mit einem Feuerwehrauto vor die Kirche und begann ausgerechnet in dem Moment ein Hupkonzert, als ich in dem Film die Wandlung vollzogen hatte. Gegen die Regieanweisung habe ich die konsekrierte Hostie und den Wein erst in den Tabernakel gestellt und bin dann erst aus der Kirche, um die Angelegenheit zu klären. Was heilig ist, das muss man meiner Meinung auch so darstellen. Der „echte“ Pfarrer kam nachher zu mir und hat sich bei mir bedankt. So war es recht und da kann auch der Herrgott nichts dagegen sagen. Auch bei der Serie „Der Bulle von Tölz“ habe ich gemeinsam mit Michael Lerchenberg, der den Prälat Hinter gespielt hat, viel theologisch diskutiert und überlegt, wie wir die Kirche richtig darstellen.
„Meine Großmutter hatte wirklich einen tiefen Glauben – was eine Gnade ist!"
Die Kirche klagt über hohe Austrittszahlen. Wie kann die Kirche auch heute eine wichtige Rolle in der Gesellschaft einnehmen?
Ottfried Fischer: Wenn ich das wüsste, dann wüsste es die Kirche auch schon! Ich bin ja gespannt, nachdem ich hier in zwei Kirchenzeitungen eine Glosse unter die Leute tragen darf, die auch durchaus kirchenkritisch ist, wie diese aufgenommen wird. Dann wird sich ja zeigen, ob der Katholik wirklich fröhlich und selbstkritisch sein kann und ob für ihn nach meinen Anmerkungen noch viel Freude übrig bleibt.
Für einen kritischen Blick auf die katholische Kirche haben Sie die Darstellungsform der Glosse gewählt. Was erhoffen Sie sich von diesem satirischen, bzw. spöttischen Blick auf die Kirche?
Ottfried Fischer: Die Kirche hat es in 2000 Jahren nicht zugelassen, dass man sich über sie lustig macht. Doch Spott und Satire schaden ihr nicht. Die Kirche hat ja sehr viele gute Einrichtungen. Ich denke, gerade die Priester, die das ganze System aufrechterhalten, können so einiges ertragen.
Glauben Sie an den Himmel?
Ottfried Fischer: Ich meine immer, dass es schon was gibt. Aber ob das der Himmel ist? Das weiß ich nicht.
An was glauben Sie konkret?
Ottfried Fischer: Dass fünf Pfund Rindfleisch eine gute Suppe geben! Ich habe keinen tiefen Glauben. Auch trotz rund 20 Jahre Parkinson-Krankheit habe ich noch nicht die Situation kennen gelernt, wonach die Not das Beten lehre. Bei einer Podiumsdiskussion habe ich mal Kardinal Karl Lehmann (1936−2018) kennenlernen dürfen, den ich übrigens sehr geschätzt habe. Der Kardinal hatte damals zugestanden, dass er viele Zweifel habe.
Glaube und Zweifel seien Geschwister, heißt es doch …
Ottfried Fischer: Na dann kann das ja noch was werden! Mathematisch ausgedrückt: Der Zweifel ist der Glaube mit Plus-Minus-Zeichen, und der Glaube ist die liegende Acht, das Zeichen für das Unendliche. Als mein Großvater gestorben ist, sagte damals meine Großmutter, sie habe nun ihren Ehemann in ein anderes Zimmer gehen lassen – und sie wusste, dass sie nachkommen würde – das war Glaube! Ich habe immer gemeint, meine Oma ist eine gute Schauspielerin. Aber heute denke ich: sie hatte wirklich einen tiefen Glauben – was eine Gnade ist! Wenn es ans Sterben geht, ist gläubig sein besser als ungläubig sein.
Noch sind Sie unter den Lebenden und nach meinem Eindruck sehr lebendig und immer auf Achse …
Ottfried Fischer: Eigentlich nicht mehr so wie früher. Wir sind ja jetzt Rentner, die Simone, meine Frau, und ich. Aber es stimmt: wir sind schon gerne unter den Leuten – und gerne unter den letzten, die gehen. Wir sind Rumtreiber – jedenfalls dann, wenn nicht gerade eine Pandemie ist.
Interview: Michael Glaß
„Ein Himmelreich für Spötter“ – Ottfried Fischer wirft einen satirischen Blick auf Kirche und Welt
Die katholische Kirche wird ja häufig kritisiert – mal berechtigt, mal unberechtigt. Kritische Stimmen kommen von vielen Seiten. Die Redakteure des „Altöttinger Liebfrauenboten“ und des „Passauer Bistumsblatts“ nehmen freilich auch diese Stimmen ernst. Ihnen fällt jedoch auf: nicht selten kommen diese von Leuten, die längst nicht mehr in der Kirche sind und nur noch wenig über sie wissen; und nicht selten mischt sich Spott unter die Kritik. Daher der Gedanke: „Wenn schon Kritik und Spott, dann wenigstens von einem echten Profi, der auch die katholische Kirche bestens kennt.“ Ein solcher „Profi“ ist der Kabarettist und Schauspieler Ottfried Fischer: von klein auf katholisch sozialisiert und auch theologisch und kirchenhistorisch bestens geschult, kennt er die katholische Kirche wie sonst nur wenige Kritiker und „Spötter“. Unter dem Motto „Ein Himmelreich für Spötter“ wird Ottfried Fischer also in einer kleinen Serie von Glossen im Altöttinger Liebfrauenboten und im Passauer Bistumsblatt einen kritischen Blick auf die katholische Kirche und auf das aktuelle Zeitgeschehen werfen. Mit einer guten Portion Humor, aber auch mit unerwarteter Kritik und überraschendem Lob, möchte er neue, kaum beachtete Perspektiven eröffnen. Die erste Glosse „Spötterdämmerung“ lesen Sie in den aktuellen Printausgaben Nr. 46 – 2020 des „Altöttinger Liebfrauenboten“ und des „Passauer Bistumsblatts“. Weitere Glossen sollen in unregelmäßigen Abständen folgen.
Text: Michael Glaß