
Sei immer gut, doch nie zu gütig! Die Wölfe werden sonst übermütig. Dieses Sprichwort gilt auch für einen Generalvikar, der den Spagat zwischen „General“ und „Vikar“ hinbekommen soll. Wie es Prälat Dr. Klaus Metzl mit dieser HerkulesAufgabe ergangen ist, erzählt er in einem Gespräch zum Abschied.
Die Berufsbezeichnung Generalvikar birgt es bereits in sich: War es für den Menschen Klaus Metzl ein Spagat, Entscheidungen manchmal als „General“ und manchmal als „Vikar“ treffen zu müssen?
Klaus Metzl: Das ist in der Tat eine Spannung. Aber eine Spannung, die zum Leben gehört. Und von daher jeden, der Entscheidungen treffen muss, berühren wird. Auf der einen Seite muss einem an der Sachorientierung liegen, auf der anderen Seite muss man den Blick auf die Menschen haben. Mir als Generalvikar des Bischofs von Passau war es immer wichtig, auch in der Pastoral als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und als Priester tätig zu sein.
Vor über sechs Jahren haben Sie vor Medienvertretern des Bistums gesagt, wieder gerne in die Seelsorge gehen zu wollen. Was gab dafür jetzt den Ausschlag?
Klaus Metzl: Den Ausschlag gab – rein äußerlich betrachtet – der Rücktritt von Prälat Günther Mandl, durch den die Stelle in Altötting freigeworden ist. Das war kein Geheimnis für Insider, dass Altötting für mich ein Herzensort ist. Das war jetzt der richtige Zeitpunkt für mich, zumal ich ja in meiner Zeit als Generalvikar immer die Meinung vertreten habe, dass ein Priester nach 10 bis 15 Jahren die Pfarrei wechseln solle. Daran halte ich mich auch selber, dann bleibt man glaubwürdig.
„Es geht darum, sich selber auf den Weg zu machen. Dafür ist Altötting ein wunderbarer Ort“

Die letzten Tage als Generalvikar – wie ist die Gefühlslage?
Klaus Metzl: Es macht sich immer mehr eine gewisse Erleichterung breit, die Verantwortung abgeben zu dürfen. Und die Vorfreude auf Altötting wird immer noch größer. Ich bin ganz guter Dinge, dass Altötting für mich die richtige Entscheidung ist. Ich freue mich auf die neue Aufgabe und hoffe, dass es auch in Passau gut weitergeht.
Wenige Wochen nach Ihrer Ernennung zum Generalvikar im Jahr 2005 wurde Joseph Ratzinger auf den Stuhl Petri gewählt. Eine aufregende Zeit?
Klaus Metzl: Das war eine große Freude, dass jemand, der in der Diözese Passau geboren ist, Papst wird. So etwas ist ja nicht nur ein Jahrhundertereignis, sondern ein Jahrtausendereignis.
…und bei der Vorbereitung des Papst-Besuches in Altötting und Marktl waren Sie federführend tätig!
Klaus Metzl: Worauf wir in der Diözese noch heute stolz sein dürfen: Wir haben mehr oder weniger alles mit eigenen Leuten hier im Ordinariat vorbereitet und wenig nach außen gegeben. Besser hätte es nicht laufen können.
Nicht immer scheint die Sonne. Mit den Missbrauchsfällen sind dann im Bistum Passau auch dunklere Wolken aufgezogen…
Klaus Metzl: Wenn ich auf die 15 Jahre als Generalvikar zurückblicke, gehört das zu den belastendsten Sachen, die ja nicht abgeschlossen sind. So halten wir noch Kontakt zu Menschen, die unter Missbrauch litten und immer noch leiden. Das berührt mich.
In Ihre Amtszeit fiel die Bistumsreform, erst 2007 die Pfarrverbände, dann mit Bischof Stefan der Pastoralstrukturelle Erneuerungsprozess. Wo steht das Bistum heute?
Klaus Metzl: Wir sind gut aufgestellt. Mit den 18 Verwaltungszentren haben wir neue Strukturen geschaffen. Parallel dazu galt es, die zeitlichen Ressourcen freizuschaufeln für unsere pastoralen Mitarbeiter, allen voran auch für die Pfarrer, damit sie sich der Neuevangelisierung zuwenden können. Die wesentliche und erste Aufgabe der Diözese besteht ja darin, die Menschen mit Jesus Christus in Berührung zu bringen, die Frohe Botschaft zu künden.
Wo werden Sie als künftiger Seelsorger von Altötting ansetzen, damit Kirche kein „weltlich Ding“ wird, sondern in ihrer Dimension als Anbruch des Gottesreiches erfahrbar bleibt?
Klaus Metzl: Ansetzen muss man immer bei sich selber. Das ist mir auch durch Bischof Stefan sehr deutlich geworden, der sagt, alle Neuevangelisierung beginne mit der Selbstevangelisierung. Man muss selber sich tagtäglich in die Gegenwart Gottes stellen, um eine gewisse Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Und das wünsche ich mir für Altötting, mehr ins geistliche Leben hineinzuwachsen, nicht mehr so stark von äußerer Verwaltung den Tagesablauf bestimmen zu lassen, sondern mehr von den vielen Menschen, die auf der Suche sind nach Gott, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Und die sowohl in der Muttergottes als auch in Bruder Konrad einen Wegweiser fürs Leben sehen. Man kann im Alltäglichen auch den Weg zu Gott finden. Letztlich geht es um nichts anderes: Wie finde ich das ewige Leben? Wie finde ich den Frieden? Das ist die tiefste Sehnsucht der Menschen. Wir spüren ja momentan auch durch die Zwangspause von Corona, dass die Menschen zum Überlegen kommen. Sie stellen sich Fragen wie: „Ist das wirklich alles, ob ich den vierten oder fünften Urlaub habe?“ Es geht darum, sich selber auf den Weg zu machen. Dafür ist Altötting ein wunderbarer Ort.
„Eine Bibelstelle, die mir immer wieder sehr nahe ist, ist die Stelle aus Johannes 10,10: Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und es in Fülle habt“

Der Stiftspropst von Altötting hat – im Gegensatz zu Bischöfen – keinen offiziellen Wahlspruch. Fällt Ihnen trotzdem eine Bibelstelle ein, die Sie bei Ihrer neuen Aufgabe begleiten soll?
Klaus Metzl: Eine Bibelstelle, die mir immer wieder sehr nahe ist, ist die Stelle aus Johannes 10,10: „Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und es in Fülle habt.“ Das ist die zentrale Botschaft, dass Christentum und Kirche und Sakramente doch nicht etwas sind, das Leben einengt oder verhindert, wie das oftmals gesehen wird. Das Gegenteil ist der Fall: Letztendlich wird Leben geschenkt, und zwar qualitätsvoll, eine ganz andere Dimension von Leben wird eröffnet.
Als Administrator sind Sie auch Hüter der Heiligen Kapelle – ein Ort mit großer Geschichte, an dem schon Päpste und gekrönte Häupter gebetet haben. Was bedeutet das für Sie persönlich, dem Herzen Bayerns so nahe zu sein.
Klaus Metzl: Eine große Verpflichtung. Hier ist das bayerische Volk zu Christus geführt worden. Das ist ein Ort, durchdrungen von Gebet, von Tränen, von Menschen mit Sorgen und Nöten – angefangen vom König bis zum früheren Bettelmann, die alle zur Muttergottes gekommen sind und ihre Sorgen vorgetragen haben mit der begründeten Hoffnung, dass Maria das weiterträgt zu ihrem Sohn. Und von daher ist der Ort einmalig.
Sie waren Kaplan in Altötting und kehren jetzt als Stiftspropst, Stadtpfarrer, Wallfahrtsrektor und Administrator der Heiligen Kapelle zurück. Ein Herzenswunsch?
Klaus Metzl: Auf alle Fälle. Altötting ist für meine Familie und mich immer schon eine Zielgröße gewesen. Dass sich das so fügt, dass ich da wieder zurückkehren darf, freut mich sehr.
Die Corona-Pandemie – eine schwierige Zeit auch für die Wallfahrt…
Klaus Metzl: Ich hoffe sehr, dass der Weg der Normalisierung gut weitergeht und die Menschen wieder den Mut fassen, nach Altötting zu pilgern. Da bin ich optimistisch.
Auch ein Stiftspropst wird einmal freie Zeit haben. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Klaus Metzl: Am meisten freue ich mich, dass ich hoffentlich wieder einmal Zeit habe. Wichtig ist mir das Lesen, meine Bücher. Und auch mein neuer Wohnort in Altötting hat einen schönen Garten. Das Generalvikarsamt bringt mit sich, dass man sehr viel auf Reisen ist, unterwegs ist, ein bisserl aus dem Koffer heraus lebt. Ich wünsche mir sozusagen eine gewisse „Stabilitas loci“, dass man sagen kann, jetzt bin ich auch wieder daheim. Und jetzt bin ich wieder an einem Ort, wo ich gerne und gut bleiben kann. Und darauf freue ich mich.
Interview: Armin Berger und Werner Friedenberger