
Seit rund 90 Jahren halten die Altöttinger Krippenfreunde eine beliebte Tradition aufrecht: in der Adventszeit wandern kleine Herbergskästchen von Familie zu Familie, von Haus zu Haus.
Und sie „legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7), heißt es kurz und knapp im Evangelium. Bunt ausgestaltete Krippenspiele stellen jährlich dar, wie der Herbergsvater die hochschwangere Maria und ihren Mann Josef abweist. Die knappe Angabe im Lk-Evangelium soll aber nicht das letzte Wort der Geschichte bleiben: In Altötting zeigt eine Tradition der Herbergssuche, dass es viele Plätze gibt für die Heilige Familie – im übertragenen Sinn. Hier werden seit ca. 1930 jedes Jahr kleine laternenartige Kästchen, die die Herbergssuche darstellen, von Familie zu Familie weitergegeben. Die Kästchen laden zum Gebet ein, zu einem besinnlichen Miteinander im Kreis der Familie. Die Tradition kommt aus der der „Wandermuttergottes“, bzw. des „Frauentragens“ – eine Form der Marienverehrung, die vor allem im alpenländischen Raum vorkommt.

Zehn Herbergskästchen stellt der Verein der Altöttinger Krippenfreunde dafür zur Verfügung. Diese werden in der Adventszeit zwischen 180 und 190 Familien weitergereicht, berichtet deren Vorsitzende Angelika Tupy. „Eingeführt wurde die Herbergssuche von Max Ramersberger und Alois Meilhammer und sie ist in unserer Region einzigartig“, heißt es in der Vereinschronik der Altöttinger Krippenfreunde. Der Erlös aus Spenden werde caritativen Einrichtungen zur Verfügung gestellt.

Bei Familie Hell wird die Tradition schon seit über 25 Jahren gelebt, wie die Pfarrgemeinderatsvorsitzende und Sekretärin der Wallfahrtskustodie, Luise Hell, berichtet. Ihre Schwägerin Simone und ihr Bruder Georg nehmen das Kästchen bei sich auf – ursprünglich um den mittlerweile erwachsenen drei Söhnen eine Freude zu bereiten, mittlerweile um eine schöne Tradition aufrechtzuerhalten, die sich in der Großfamilie „eingebürgert“ habe und eben nicht verloren gehen dürfe. Die kleine Herberge steht dann für einen Tag in der Wohnküche; am Abend versammeln sich Eltern, Kinder, Schwester und auch die Großmutter, zünden eine Kerze an, sprechen ein Gebet, lesen einen besinnlichen Text, wie Luise Hell erzählt. Dann wird das Kästchen an eine andere Familie übergeben. Luise Hell resümiert: „So lange das die Krippenfreunde so schön machen – das hängt ja auch mit viel Arbeit zusammen! –, machen wir da auch in Zukunft gerne mit.“
Herbergskästchen der Altöttinger Krippenfreunde - Impressionen
Diese „Familientradition“ hat sich auch bei Susanne und Thomas Oberbauer etabliert. „Wir sind vor 14 Jahren mit eingestiegen, als unser erster Sohn geboren wurde“, erzählt Susanne Oberbauer. Gerade erst nach Altötting gezogen, sei das eine ideale Möglichkeit gewesen, die neue Nachbarschaft kennenzulernen: „Wir haben uns gleich sehr angenommen gefühlt.“ Der im Rahmen dieser Tradition geförderte Kontakt zu anderen Familien geht Susanne Oberbauer mittlerweile etwas ab – aufgrund der Einschränkungen während des Corona-Lockdowns ist heuer nur eine kurze Übergabe möglich. Doch schon in den letzten Jahren sei die Übergabe immer kürzer ausgefallen. In der Vergangenheit hätten die Familien viel öfter die Gelegenheit genutzt, um sich zusammenzusetzen und einander besser kennenzulernen. Dennoch möchte die Familie auf die Tradition nicht verzichten: „Sie gehört jetzt einfach dazu!“ Die kleine Herberge stehe dann jedes Jahr für einen Tag am Küchentisch, gemeinsam liest die Familie mit ihren mittlerweile zwei Söhnen einen besinnlichen Text – und nimmt das kleine Herbergskästchen genauer unter die Lupe.

Auch heuer wurden die zehn Herbergskästchen der Altöttinger Krippenfreunde feierlich ausgesandt. Stiftsdekan Wolfgang Renoldner segnete diese am 27. November im Rahmen einer Andacht in der Josefskirche der Congregatio Jesu; musikalisch gestaltet durch die Georgenfelder Saitenmusik (kleine Besetzung). Gerade in dieser ganz anderen, Corona-geprägten Vorweihnachtszeit müssten wir „Kraft schöpfen, Licht in unsere Seele hineintragen“, sagte der Stiftsdekan. Mit den Herbergskästchen werde dieser „Segen Gottes, das Licht des Herrn“ weiter gereicht „in Euer Heim, in die Familien, zu den Alten und Kranken“.
Text: Michael Glaß, Fotos: Roswitha Dorfner