Glaube als ständige Heimat – Diskussionsrunde im Rahmen der „Biennale Bavaria International“

Eine Diskussionsrunde im Rahmen der „Biennale Bavaria International – Festival des Neuen Heimatfilms“ hat am 16. September im Kultur + Kongress Forum Altötting die Verbindung zwischen Glauben und Heimat behandelt.
Heimat – um diesen Begriff dreht sich in der Region gerade einiges. Am 3. September startete die Heimatausstellung der Münchener Secession in der Altöttinger Stadtgalerie im Rahmen der Biennale Bavaria International. Diese fand von 15. bis 19. September statt. Während der fünf Tage wurden 42 Filme in sechs Orten gezeigt, vom Spiel- über Dokumentar‑, Kinder- und Jugend- bis zum Heimatfilm. Im Anschluss an sieben Vorführungen fanden zudem Diskussionsrunden statt, die die Bedeutung von Heimat aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten.
Der Donnerstagabend stand im Kultur+Kongress Forum Altötting im Zeichen des Zusammenhangs zwischen Heimat und Glaube. Genauer die Frage: Gibt es Heimat ohne Glauben? Unter der Moderation von Erwin Schwarz, Redaktionsleiter des Alt-Neuöttinger Anzeigers, diskutierten über diese Frage Bischof Dr. Stefan Oster, Christian Kopp, evangelischer Regionalbischof im Kirchenkreis München und Oberbayern, und Gönül Yerli, Vize-Direktorin der Islamischen Gemeinde Penzberg. Zuvor hatte der Dokumentarfilm „A Black Jesus“ einen Einstieg in die Thematik Glaube und Heimat gegeben. In dem gut 90-minütigen Film nimmt der Regisseur Luca Lucchesi, der Ehrengast im Forum war und sich gelegentlich in die Debatte mit Hintergrunderklärungen einbrachte, den Zuschauer hautnah mit in das Heimatdorf seines Vaters auf Sizilien. Dort verehren die Menschen ein Kruzifix mit einem schwarzen Jesus. Gegenüber den afrikanischen Bewohnern des nahen Flüchtlingszentrums haben sie allerdings Vorurteile und grenzen sie aus. Als ein junger Ghanaer seinen sehnlichsten Wunsch, den schwarzen Jesus bei der alljährlichen Prozession mitzutragen, äußert, spaltet dies die Gemeinde.
„Sensibel gefilmt, schafft die Dokumentation einen Eindruck, wie schön es ist, Menschen nahe zu kommen“, gab Bischof Oster eine Retrospektive zum Film. Hier sei das Medium der Gemeinschaft, des Zusammenkommens, dieser „Black Jesus“, so Oster. Für das Heimatgefühl sei es wichtig, Dinge zu haben, wie eben diesen Schwarzen Jesus, „an denen ich festhalten kann“, ergänzte der evangelische Regionalbischof Christian Kopp mit Blick auf die Kernfrage der Diskussion. Parallelen zu ihrer eigenen Geschichte erkannte Gönül Yerli, die im Kleinkindalter mit ihren Eltern von der Türkei nach Deutschland emigriert ist. „Mein Glaube beginnt auch so, mit einer Jesusfigur, die dunkler war als andere, dadurch war sie aber charismatischer.“ Diese Jesusfigur und der damit verbundene Glaube stütze die Muslima heute noch, denn eine solche Entwurzelung mache etwas mit einem. „Ich frage mich immer wieder, wo meine Heimat ist. Mein Glaube ist dabei eine feste Größe, ihn kann ich überall mitnehmen.“
Aufgrund dieser Ungebundenheit des Glaubens waren sich die drei Konfessionsvertreter auch einig, dass Glaube immer eine wichtige Rolle für das Entstehen des Heimatgefühls spielt. „Sicherlich können manche Heimat auch ohne Glauben finden, aber Glaube hilft und Heimat mit Glaube ist viel schöner“, verdeutlichte Christian Kopp. „Bei der Heimatfindung ist Glaube, denke ich, immer dabei“, ergänzt Bischof Stefan Oster.
„Braucht es dafür aber die Institution Kirche?“, hakte Moderator Erwin Schwarz nach. Die Kirche bilde den Rahmen für Glaube; die Hingabe und Nächstenliebe, die für das Gemeinschafts- und somit Heimatgefühl essenziell seien, feiere man in der Heiligen Messe, antwortete Oster. „Die Religionsgemeinschaft kann identitätsstiftend sein, gerade wenn man in einer ‚Minderheit‘ im Ausland lebt“, fügt Gönül Yerli hinzu.
Den Abschluss der einstündigen Diskussion bildete eine Videobotschaft des Rabbiners der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Steven Langnas, der eigentlich auch zur Diskussion eingeladen war, sich aufgrund des Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, aber entschuldigen ließ. Eine Antwort auf die Diskussionsfrage fand er mit Hilfe einer Metapher: „Mein Herz hat viele kleine Kammern, worin Orte gespeichert sind, wo ich mich zu Hause fühle, wenn ich dort bin, die Heimat spüre. Dann gibt es aber auch noch eine große Kammer, die mein ständiger Begleiter ist: die spirituelle.“
Text und Foto: Johannes Krenner
31 Mal Heimat – Ausstellung in der Altöttinger Stadtgalerie
Was bedeutet Heimat? Ihre ganz persönliche Antwort auf diese Frage stellen 31 Künstler der Münchener Secession bis zum 17. Oktober in der Altöttinger Stadtgalerie aus.

Am 3. September fand die Eröffnung der Ausstellung in kleinem Rahmen statt, etwa 30 Gäste waren geladen, darunter auch einige Künstler.
„Jeder Mensch hat eine andere Sichtweise auf den Begriff Heimat“, verdeutlichte Thomas Bindl, Präsident der Münchener Secession. Dementsprechend breit gefächert seien die Interpretationen bei einer solchen Gemeinschaftsausstellung, wobei drei Ansätze zu erkennen seien: Die Darstellung eines bestimmten geografischen Ortes, die einer beruflichen Heimat und die Abbildung einer geistigen Heimat. Dabei gäbe es „wahnsinnig humorvolle, aber auch ernste Darstellungen“, wie Künstler Alto Hien betonte. Schließlich werde der Begriff Heimat immer öfter zu politischen Zwecken missbraucht und instrumentalisiert. Umso wichtiger sei es deshalb, sich mit den Werken genau auseinanderzusetzen, denn „jedes erzählt seine eigene Geschichte und lässt sich erst nach einer Zeit oder gar nicht entschlüsseln“, so Bindl. So verberge sich beispielsweise hinter einer vermeintlich freudigen, schönen Darstellung die Gesichter von Flüchtlingen.
Der „Heimatversuch“ als Titelbild der Ausstellung stehe schließlich für die Versuche der einzelnen Künstler, Heimat abzubilden. Denn an dem Titelbild arbeitete ein dreiköpfiges Team, das „KingKongKunstkabinett“. „Wir haben versucht, unsere Auffassungen des Heimatbegriffs in ein Bild zu verpacken“, beschreibt Wolfgang Schikora, einer der Mitglieder. Es solle offenlassen, ob die Heimat zerstört ist oder aufgebaut wird und eine gewisse Ambivalenz zeigen.
Die facettenreiche Heimatausstellung bildet das Rahmenprogramm für die erste Ausgabe des Filmfestivals „Biennale Bavaria International“. Von 15. bis 19. September fand es an sechs Orten in vier Landkreisen statt und zeigte Filme, die sich mit dem Begriff der Heimat beschäftigen. Während dieser fünf Tage waren in der Stadtgalerie zudem mindestens jeweils zwei Künstler vor Ort, damit die Besucher mit ihnen ins Gespräch kommen und ihre Vorstellungen von Heimat austauschen konnten. Zudem erweiterten Diskussionsrunden das kulturelle Programm.
Text und Foto: Johannes Krenner
Die Ausstellung in der Stadtgalerie Altötting, Papst-Benedikt-Platz 3, 84503 Altötting (Tel.: 08671 5062 – 38; E‑Mail: stadtgalerie@altoetting.de) ist noch bis 17. Oktober zu folgenden Zeiten geöffnet: Mi-Sa: 14 – 17 Uhr; Sonntag/Feiertag: 11 – 16 Uhr, Eintrittspreis: Erwachsene 3,00 €; Ermäßigt 1,50 €.