Pilgern mit dem Fahrrad ist nicht ungewöhnlich, im Gegenteil, es liegt im Trend. Sehr wohl ungewöhnlich ist es aber, wenn sich sieben Geschwister gemeinsam auf den Weg machen – und das jüngste von ihnen schon 74 Jahre alt ist.
In genau dieser Kombination hat nun eine Radlwallfahrt ein schönes Ende genommen: Nach drei Tagen und über 100 Kilometern kamen die Lemperles am 19. August am Kapellplatz in Altötting an.
Dass einige der Geschwister, die erst in Biberach und dann nahe Stuttgart aufgewachsen sind, ehe es sie in weite Teile Deutschlands und sogar nach Dänemark und in die USA verschlagen hat, gemeinsam pilgern, hat Tradition. Premiere hatten sie im Jahr 2000. Als eine Tochter von Regina, der zweitjüngsten Schwester, schwer erkrankte, gelobte die Mutter, zu Fuß von München nach Altötting zu gehen. Daraus wurde zwar nichts, wohl aber machte sie sich mit dem Rad auf den Weg, begleitet von mehreren Schwestern und einigen Cousinen, die selbst Gebetsanliegen hatten. Seither haben sie das in unterschiedlicher Besetzung Jahr für Jahr wiederholt, jeweils mit wechselnden Ausgangspunkten. Mal starteten sie in Salzburg, mal in Deggendorf, mal in Linz, mal in Rosenheim, mal in Seeon. Heuer war Passau an der Reihe.
Das Besondere: Erstmals waren alle sieben mit von der Partie. Der einzige Bruder, Gottfried, hatte Radlpilgerpremiere und war dafür eigens aus Frankfurt angereist. Dass er sich Zeit nehmen konnte, ist so selbstverständlich nicht: Gottfried Lemperle ist Gründer des Interplast-Germany e.V., einer Hilfsorganisation für Plastische Chirurgie, die unter anderem Krankenhäuser im Kongo und in Nepal aufgebaut hat. Noch heute ist er stark eingespannt. Lydia reiste erneut aus Florida an, und die Jüngste, Maria-Leonore, aus Kopenhagen. Dass sich alle Zeit nehmen konnten, „dafür sind wir dankbar, es ist ja nicht sicher, dass es noch einmal klappt“, sagt Maria-Leonore mit Blick auf das Alter.
Dass Abstecher eingelegt werden, das ist bei den Geschwister-Touren üblich. Der Grund: Eine von ihnen, Cordula Böhm, ist Kunsthistorikerin. Als solche ist sie unter anderem mitverantwortlich für das Akademieprojekt „Corpus der barocken Deckenmalerei“, speziell den Landkreis Altötting hat sie betreut, aber auch die umliegenden Gegenden. Zu so gut wie jeder Kirche und zu jedem Heiligen weiß sie etwas. Dass sie ihre Geschwister entsprechend führt, das ist eine Selbstverständlichkeit. Dass der Geschwister-Chor in jedem Gotteshaus einen Kanon anstimmt, das auch.
Auch in Altötting stand nach der Ankunft am Donnerstag noch ein solcher geführter Abstecher an, zur Stiftspfarrkirche. Zu einer Votivtafel gleich gegenüber, im Umgang der Gnadenkapelle, brauchten die Geschwister hingegen keine Erklärung: Diese zeigt fünf der Lemperle-Schwestern und zwei ihrer Cousinen. Die Tafel hatten sie gestiftet, nachdem sie eine Bittwallfahrt für ihre an einem Tumor erkrankte Halbschwester zur Altöttinger Madonna unternommen hatten.
Dieses Mal hatten die Lemperles im Übrigen kein Gebetsanliegen, allen in der Familie geht es gut – was durchaus etwas heißen will bei sage und schreibe 28 Kindern und 58 Enkelkindern. So konnten sie unbeschwert nach Altötting radeln und von dort weiter nach Baumburg, ehe sie sich wieder in alle Himmelsrichtungen zerstreuten.
Text und Fotos: Stephan Hölzlwimmer