Der "Bote" 1915 bis 1924 – "... der Mensch in seinem Wahn"

Michael Glaß am 04.02.2020

2020 125 jahre aoelfb friede auf erden titel 2jan1916 Foto: Altöttinger Liebfrauenbote
Altöttinger Liebfrauenbote, Titelbild "Friede auf Erden!" am 2. Januar 1916.

"Friede auf Erden!", titelte am 2. Januar 1916 der "Bote" und druckte ein Bild der "Gloria- und Friedens-Engel der hl. Nacht", auf dass sie "uns ins neue Jahr das Geleite geben". Daneben ein Gedicht an die Gottesmutter: "... O segne hoch vom Himmelsthron / das neue Jahr, durch deinen Sohn! Ave Maria!" Ganz anders das Bild "Ein Blick in die Zukunft" in der Ausgabe vom 31. Dezember 1916: Es erinnert doch schon sehr an Hollywood-Filme der Gegenwart, was sich der offenbar englische Künstler über den "Zukunftskrieg mit gepanzerten Riesenkolossen" ausgedacht hat.

2020 125 jahre aoelfb ein blick in die zukunft mit gedicht lied von der glocke 31dez1916 Foto: Altöttinger Liebfrauenbote
Altöttinger Liebfrauenbote, Bild "Ein Blick in die Zukunft" am 31. Dezember 1916. Ganz unten im Bild: Zeilen aus Friedrich Schillers Werk "Das Lied von der Glocke".

Viel­leicht soll­te das Bild eine Mah­nung sein, viel­leicht woll­te der Künst­ler aber ein­fach nur die schreck­li­chen Ereig­nis­se des I. Welt­kriegs (191418) und sei­ner unend­lich ver­lust­rei­chen Mate­ri­al­schlach­ten” in dem neu auf­blü­hen­den Sci­ence Fic­tion-Gen­re ver­ar­bei­ten. Die Fürch­ter­lich­keit der jet­zi­gen Waf­fen genügt die­sem Vol­ke (Eng­län­der) noch nicht”, kom­men­tier­te jeden­falls empört unser Sonn­tags­blatt, und zeigt auf, dass man in die­ser Zeit geneigt war, im Geg­ner immer nur das Schlech­tes­te zu ver­mu­ten. Zeit­los immer­hin die Zei­len von Fried­rich Schil­ler aus dem Werk Das Lied von der Glo­cke”, die der Bote” der Zukunfts­vi­si­on hint­an­stell­te: Gefähr­lich ist’s, den Leu (Löwen) zu wecken, ver­derb­lich ist des Tigers Zahn, jedoch der Schreck­lichs­te der Schre­cken, das ist der Mensch in sei­nem Wahn.”

2020 125 jahre aoelfb 25 jubilaeum bote rueckblick carl vogl 28dez1919 Foto: Altöttinger Liebfrauenbote
In einem dreiseitigen Artikel in der Ausgabe vom 28. Dezember 1919 blickte "Botenpfarrer" Carl Vogl aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums auf die Geschichte der Zeitung zurück. Darin begründet er u.a. auch die starke politische Ausrichtung des Blattes.

Es tob­te gera­de der mör­de­rischs­te Krieg, den die Welt bis dato erlebt hat­te. Das eine Bild drückt den Frie­dens­wunsch” der Men­schen aus, der Kom­men­tar zum ande­ren Bild die Angst und das Miss­trau­en, wel­che gera­de auch die deut­sche Gesell­schaft die Jah­re nach dem I. Welt­krieg noch lan­ge prä­gen soll­ten. Auch den Boten”, der frei­lich auch in die­sen Jah­ren die Sonn­tags­le­sung, Erzäh­lun­gen, Berich­te aus Alt­öt­tings Ver­gan­gen­heit nebst Beschrei­bung sei­ner Sehens­wür­dig­kei­ten” ver­öf­fent­lich­te. So fass­te der damals ver­ant­wort­li­che Redak­teur H. H. Karl Vogl, Bene­fi­zi­at in Holz­hau­sen, das Inhalts­pro­gramm” des Sonn­tags­blatts zusam­men, als er in der Aus­ga­be vom 28. Dezem­ber 1919 auf 25 Jah­re Bestehen zurück­blick­te. Außer­dem ent­hielt der Bote” Berich­te und eine poli­ti­sche Wochen­schau”, und hier­bei sah sich Pfr. Vogl zu fol­gen­der Recht­fer­ti­gung gezwun­gen: Es gibt gar Man­che, die da mei­nen, der Oet­tin­ger Bote mit sei­nem Gna­den­bil­de vorn­an soll­te poli­ti­sche Erör­te­run­gen ganz mei­den und nur ein rein reli­giö­ses Blatt sein”, schrieb er in sei­nem Rück­blick und mahn­te: Das wäre der Oedin­ger Tod für den Boten…, denn rein reli­giö­se Blät­ter haben wir ohne­hin genug in Alt­öt­ting.” Pfr. Vogl füg­te hin­zu: Es ist wohl wahr: Poli­tisch Ding, ein gars­tig Ding. Aber Wohl und Wehe der Kir­che, des Rei­ches Chris­ti auf Erden, hängt viel­fach innig mit der poli­ti­schen Gestal­tung im Lan­de zusammen.”

Der Friedensaufruf von Papst Benedikt XV. verpuffte

Tat­säch­lich waren die (meist) acht Sei­ten der Boten”-Ausgaben in den Jah­ren 1895 – 1924 zu einem gro­ßen Teil der Poli­tik gewid­met. Das lag auch dar­an, dass die Sonn­tags­zei­tung aus Alt­öt­ting zu jener Zeit oft die ein­zi­ge Quel­le war, aus der die Men­schen – ins­be­son­de­re auf dem baye­ri­schen Land – Infor­ma­tio­nen über das poli­ti­sche Welt­ge­sche­hen schöpf­ten. Nicht weni­ge Sol­da­ten lie­ßen sich den Boten” wäh­rend des I. Welt­kriegs sogar an die Front schi­cken. Die vie­len poli­ti­schen Berich­te in jenen Jah­ren sind gera­de auch der tur­bu­len­ten Kriegs- und Nach­kriegs­zeit geschul­det. Auch heu­te noch hat der Bote” eine poli­ti­sche” Sei­te. Poli­ti­sches gibt es zum Teil auch in den Berich­ten der Rubrik Kir­che und Welt” zu lesen – heu­te, da Stel­lung­nah­men der Kir­che ange­sichts der Infor­ma­ti­ons­flut in den Mas­sen­me­di­en unter­zu­ge­hen dro­hen, macht dies auch nach wie vor Sinn. Doch Pfr. Vogl hat­te es damals bereits ange­deu­tet: Poli­tik kann gars­tig” sein, ins­be­son­de­re dann, wenn ein Redak­teur – weit ent­fernt vom Gesche­hen und geprägt durch das eige­ne Umfeld – all­zu sehr durch die eige­ne Bril­le blickt.

2020 125 jahre aoelfb bild englische soldaten 11jul1915
Altöttinger Liebfrauenbote, Bild zum I. Weltkrieg, 11. Juli 1915.
2020 125 jahre aoelfb ostern krieg 23apr1916
Altöttinger Liebfrauenbote, Bild zum I. Weltkrieg, 23. April 1916.
2020 125 jahre aoelfb christkind im schuetzengraben 31dez1916
Altöttinger Liebfrauenbote, Bild zum I. Weltkrieg, 31. Dezember 1916.

Ein­sei­tig, agi­ta­to­risch und indok­tri­nie­rend waren größ­ten­teils sowohl die Bericht­erstat­tung als auch die Bil­der im Alt­öt­tin­ger Lieb­frau­en­bo­ten wäh­rend des I. Welt­kriegs (19141918).

Im Rück­blick auf die Aus­ga­ben der Jah­re 1915 – 1924 muten man­che Erör­te­run­gen dann doch recht aben­teu­er­lich an. Da scheint es beim Über­flie­gen der recht aus­führ­li­chen Mel­dun­gen und Berich­te Vom Krie­ge” der Aus­ga­ben im Jahr 1916, dass wir Deut­schen” die Schlacht bei Ver­dun locker noch gewin­nen könn­ten. Die tat­säch­li­che Bilanz: End­lo­se Mate­ri­al­schlach­ten” mit moder­nem Kriegs­ge­rät ohne nen­nens­wer­te Gebiets­ge­win­ne und je über 300.000 Tote auf deut­scher und fran­zö­si­scher Sei­te. Auf bei­den Sei­ten rie­fen damals Pfar­rer wie auch Pas­to­ren zum Krieg auf und der Frie­dens­auf­ruf von Papst Bene­dikt XV. vom 28. Juli 1915 ver­puff­te bald auch im Alt­öt­tin­ger Boten”: Unse­re Zei­tung druck­te ihn zwar am 15. August ab – in extra­gro­ßen Let­tern. Doch noch in der­sel­ben Aus­ga­be beschwer­te sich der Bote“ in sei­nen Nach­rich­ten Aus Kir­che und Welt“, dass unse­re Fein­de“ kei­nen Frie­den woll­ten, son­dern (uns) gera­de­zu ver­nich­ten“. Lokal kün­dig­te der Bote” in der­sel­ben Aus­ga­be eine Kriegs-Bitt­pro­zes­si­on” mit dem Pas­sau­er Bischof in Alt­öt­ting an und berich­te­te von einem Trau­er­got­tes­dienst für den 300. gefal­le­nen MC-Soda­len im Kon­gre­ga­ti­ons­saal. Eine Woche spä­ter hieß es erneut aus­wei­chend zum Auf­ruf des Paps­tes: Wir ste­hen ja auf dem glei­chen Stand­punkt wie der Papst”, aber: Unse­re Fein­de wol­len nichts vom Frie­den hören …”.

2020 125 jahre aoelfb friedensaufruf benedikt XV 15aug915
Der Friedensaufruf von Papst Benedikt XV. während des I. Weltkriegs im Altöttinger Liebfrauenbote in der Ausgabe vom 15. August 1915.
2020 125 jahre aoelfb kommentar zu friedensaufruf von papst 15aug1915
Altöttinger Liebfrauenbote, Kommentar zum Friedensaufruf von Papst Benedikt XV. in der Ausgabe vom 15. August 1915.
2020 125 jahre aoelfb lokalnachrichten vom kriege 15aug1915
Altöttinger Liebfrauenbote, Lokalnachrichten und Berichte "Vom Kriege" in der Ausgabe vom 15. August 1915.
2020 125 jahre aoelfb vom kriege 22aug1915
Altöttinger Liebfrauenbote, Berichte "Vom Kriege", 22. August 1915.

Der Frie­dens­auf­ruf von Papst Bene­dikt XV., abge­druckt in der Aus­ga­be vom 15. August 1915, wur­de im Boten” noch in der­sel­ben Aus­ga­be und auch in der fol­gen­den Aus­ga­be mit aus­wei­chen­den Kom­men­ta­ren und Schuld­zu­wei­sun­gen auf unse­re Fein­de” konterkariert.

Bis zuletzt sah der Bote” die Deut­schen in der Opfer­rol­le. Noch Ende Okto­ber 1918 mahn­te der Bote” der feind­li­chen Über­macht stand­zu­hal­ten und gab mit Blick auf den jüdi­schen Frei­heits­kämp­fer Judas Mak­ka­bä­us die Kampf­pa­ro­le an der West­front” aus: Ja, lie­ber männ­lich ster­ben für unse­re Brü­der und kei­nen Fle­cken unse­rer Ehre anhän­gen!” Der Krieg war da für Deutsch­land schon längst ver­lo­ren, und mit dem Waf­fen­still­stand von Com­piè­g­ne am 11. Novem­ber 1918 war das Ende des I. Welt­kriegs dann auch offi­zi­ell besie­gelt. Der Bote” wähn­te Deutsch­land von den Fein­den nicht besiegt, aber von den Freun­den ver­las­sen” und schwieg erst mal für eine Wei­le zu dem Thema.

Früh gegen Hitler

2020 125 jahre aoelfb hitler putsch titel 25nov1923
Mit sehr deutlichen Worten wandte sich der Altöttinger Liebfrauenbote in der Ausgabe vom 25. November 1923 gegen den vereitelten "Hitler-Putsch" am am 8. und 9. November 1923.

Mit sehr deut­li­chen Wor­ten wand­te sich der Alt­öt­tin­ger Lieb­frau­en­bo­te in sei­ner Poli­ti­schen Wochen­rund­schau” in der Aus­ga­be vom 25. Novem­ber 1923 im Zusam­men­hang mit dem ver­ei­tel­ten Hit­ler-Putsch” am 8. und 9. Novem­ber 1923, wo laut Bote” schier die Höl­le los war”, gegen die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Bewe­gung. Ins­be­son­de­re gei­ßel­te er deren Katho­li­ken­feind­lich­keit: Die plötz­lich los­ge­hen­de infa­me Pfaf­fen- und Katho­li­ken­het­ze hat die Leu­te um Hit­ler her­um ent­larvt (…). Seit Jahr und Tag haben sie es ver­stan­den, ihren Kir­chen­hass vor­sich­tig in natio­na­le Phra­sen ein­zu­wi­ckeln und die gut­mü­tig gast­li­chen Münch­ner hin­ters Licht zu füh­ren (…) (An der Sei­te von Hit­ler und Luden­dorff waren) Leu­te auch, (…) wel­che das gan­ze Alte Tes­ta­ment ver­wer­fen und am liebs­ten ein alt­deut­sches Hei­den­tum, den Wodans Göt­ter­kult wie­der ein­füh­ren möch­ten.” Außer­dem kri­ti­sier­te der Bote” scharf die Aggres­si­vi­tät und Gewalt­tä­tig­keit der Bewe­gung: Dass man gera­de nicht Kir­chen gestürmt und Geist­li­che geschla­gen hat, aber sonst alles. Auf den Stra­ßen, auf der Tram­bahn, in Gast­häu­sern ein Schimp­fen und Schmä­hen auf Papst, Kar­di­nal, Jesui­ten und Pfaf­fen son­der­glei­chen. (…) Wie es in der Uni­ver­si­tät zuging, spot­tet jeder Beschrei­bung. Selbst Pro­fes­so­ren, die beru­hi­gen woll­ten, wur­den ver­höhnt und geschla­gen.” Unter ande­rem gei­ßel­te die Zei­tung bereits damals den Anti­se­mi­tis­mus der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Bewe­gung – Man höhn­te ihn (den Münch­ner Kar­di­nal Micha­el von Faul­ha­ber) Juden­knecht. (…) Der Kar­di­nal hat­te nur zu Aller­hei­li­gen gepre­digt: auch das Leben eines Juden sei wert­voll. Das geschah gegen die von den Hit­le­ria­nern in letz­ter Zeit aus­ge­ge­be­ne Paro­le: Alle Juden aus­nahms­los müss­ten nie­der­ge­schos­sen wer­den. Ist das auch noch Christentum?”

Im Rück­blick zum 25-jäh­ri­gen Bestehen der Sonn­tags­zei­tung erklär­te sich Redak­teur Pfr. Vogl mit fol­gen­den Wor­ten: Viel­fach wur­de es mir beson­ders nach dem mili­tä­ri­schen Zusam­men­bruch ver­übelt, dass ich im Boten das Volk solan­ge in der Hoff­nung auf einen erträg­li­chen Aus­gang hin­hielt (…) Auch die Fein­de waren ja am Ende ihrer Kraft und wäre das Heer, wie Hin­den­burg sich äußer­te, nicht von hin­ten erdolcht wor­den, so hät­ten wir einen ganz annehm­ba­ren Frie­den … erlangt.” Lei­der nein: Den Dolch­stoß” ent­larv­ten die His­to­ri­ker als Legen­de, sie spre­chen statt­des­sen von der Revo­lu­ti­on von oben”: Obwohl die Lage längst aus­sichts­los war, ließ Gene­ral Erich Luden­dorff die letz­te Chan­ce auf einen ver­träg­li­chen Frie­den auf Basis der 14 Punk­te des US-Prä­si­den­ten Wood­row Wil­son bewusst außer Acht. Statt­des­sen über­ließ er den unge­lieb­ten poli­ti­schen Par­tei­en die undank­ba­re Auf­ga­be, den Waf­fen­still­stand aus­zu­han­deln. Es war eine aus­sichts­lo­se Auf­ga­be, denn weil Luden­dorff so lan­ge gewar­tet hat­te, hat­te die deut­sche Sei­te gar kei­ne Trümp­fe mehr in der Hand und der Ver­sailler Ver­trag glich schließ­lich einer bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­ti­on – mit ver­hee­ren­den wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Fol­gen. Die Dolch­stoß­le­gen­de wur­de letzt­end­lich zur töd­li­chen Waf­fe der Natio­nal­so­zia­lis­ten gegen die ers­te deut­sche Republik.

Das wie­der­um hat­te auch der Bote” nicht gewollt, zual­ler­letzt des­sen Redak­teur Pfr. Vogl. Die­ser war nicht völ­lig blind auf dem rech­ten Auge”. Als Adolf Hit­ler am 9. Novem­ber 1923 mit sei­nen natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kolon­nen von Mün­chen nach Ber­lin mar­schie­ren woll­te, um die demo­kra­ti­sche Regie­rung zu stür­zen – der Putsch wur­de übri­gens noch in Mün­chen durch Poli­zei­ein­hei­ten vor der Feld­herrn­hal­le gestoppt – warn­te der Bote” in der Aus­ga­be vom 25. Novem­ber: Die plötz­lich los­ge­hen­de infa­me Pfaf­fen- und Katho­li­ken­het­ze hat die Leu­te um Hit­ler her­um ent­larvt…”, und wei­ter: Seit Jahr und Tag haben sie es ver­stan­den ihren Kir­chen­haß vor­sich­tig in natio­na­le Phra­sen ein­zu­wi­ckeln…” Nach wie vor kämpf­te Pfr. Vogl für eine vater­län­di­sche Bewe­gung”, die völ­ki­sche und athe­is­ti­sche Bewe­gung unter Hit­ler war ihm aber von Anfang an zuwi­der. Lei­der über­sah er jedoch auch poten­zi­el­le Freun­de. In der Poli­tik ver­tei­dig­te die SPD gemein­sam mit der christ­li­chen Zen­trums­par­tei und der libe­ra­len DDP in der sog. Wei­ma­rer Koali­ti­on” die Repu­blik gegen Angrif­fe rechts- und links­ra­di­ka­ler Par­tei­en – ohne Erfolg. Der Bote” wur­de nicht warm mit der Repu­blik, er trau­er­te der Mon­ar­chie nach, und er warn­te u.a. in der Aus­ga­be vom 26. Janu­ar 1919, dass ein Katho­lik kein Sozi­al­de­mo­krat sein kön­ne. Der athe­is­ti­schen Grund­idee des Sozia­lis­mus zum Trotz blie­ben jedoch auch vie­le Sozi­al­de­mo­kra­ten der katho­li­schen Kir­che treu.

Bezugspreis: 10 Milliarden – Der "Bote" während der Hyperinflation 1923

2020 125 jahre aoelfb inflation titel 18nov1923
Der Altöttinger Liebfrauenbote während der Inflation: 10 Milliarden Mark kostetet die Ausgabe vom 18. November 1923.
2020 125 jahre aoelfb inflation was kostet der bote 28okt1923
Altöttinger Liebfrauenbote, 18. Oktober 1923: Kommentar im "Boten" zum rasanten Preisanstieg im Zuge der Inflation 1923.

Die Hyper­in­fla­ti­on von 1923 lässt sich auch am Bezugs­preis für eine Aus­ga­be des Boten“ able­sen und natür­lich war die­se auch The­ma in den Aus­ga­ben die­ser Zeit. Die deut­sche Infla­ti­on von 1914 bis Novem­ber 1923 war eine der radi­kals­ten Geld­ent­wer­tun­gen in gro­ßen Indus­trie­na­tio­nen. Die Vor­ge­schich­te die­ser Hyper­in­fla­ti­on fin­det sich in der Finan­zie­rung des Ers­ten Welt­krie­ges. Mit dem Ende des Krie­ges 1918 hat­te die Mark bereits offi­zi­ell mehr als die Hälf­te ihres Wer­tes ver­lo­ren, genau­er: ihrer Kauf­kraft im Innen- und Außen­ver­hält­nis. Auf dem Schwarz­markt lag der Infla­ti­ons­in­dex noch wesent­lich höher. Eigent­li­che Ursa­che der schon ab 1919 begin­nen­den Hyper­in­fla­ti­on war die mas­si­ve Aus­wei­tung der Geld­men­ge durch den Staat in den Anfangs­jah­ren der Wei­ma­rer Repu­blik, um die Staats­schul­den zu besei­ti­gen (…) Weil die Reichs­re­gie­rung nicht mehr in der Lage war, die Repa­ra­tio­nen in ange­mes­se­ner Höhe zu bezah­len oder Ersatz­leis­tun­gen in Form von Wirt­schafts­gü­tern zu erbrin­gen, kam es zur Ruhr­be­set­zung durch fran­zö­si­sche und bel­gi­sche Trup­pen. Die deut­sche Regie­rung unter Reichs­kanz­ler Wil­helm Cuno rief zum Ruhr­kampf”, zum pas­si­ven Wider­stand gegen die mili­tä­ri­sche Beset­zung auf. Um die Strei­ken­den bei Lau­ne zu hal­ten, wur­den ihnen ent­spre­chen­de finan­zi­el­le Hil­fen aus­ge­zahlt – in einer Mark, die sich durch die von der Regie­rung betrie­be­ne Geld­ver­meh­rung immer rascher ent­wer­te­te. Damit began­nen die Mona­te der Hyper­in­fla­ti­on, die noch Gene­ra­tio­nen von Deut­schen als Bei­spiel für die Schre­cken einer Infla­ti­on ver­folg­ten. Immer schnel­ler ver­viel­fach­te sich die Abwer­tung gegen­über dem US-Dol­lar, bis schließ­lich im Novem­ber 1923 der Kurs für einen US-Dol­lar 4,2 Bil­lio­nen Mark ent­sprach.“ (Quel­le: Wiki­pe­dia)

Das Gnadenbild auf der Flucht

2020 125 jahre aoelfb pacelli in altoetting 23nov1919 Foto: Altöttinger Liebfrauenbote
In der Ausgabe vom 23. November 1919 berichtet der Altöttinger Liebfrauenbote von einem Altötting-Besuch des Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII.

Immer­hin: Als der ers­te, am 11. Febru­ar 1919 von der Natio­nal­ver­samm­lung gewähl­te Reichs­prä­si­dent Fried­rich Ebert (SPD) Papst Bene­dikt XV. sei­ne Wahl mit­teil­te, berich­te­te der Bote”, dass der Hl. Vater den Brief sehr wohl­wol­lend” auf­ge­nom­men habe; dass Ebert die Bezie­hun­gen zum Apos­to­li­schen Stuhl ver­bes­sern wol­le, war der Sonn­tags­zei­tung eben­falls ein paar Zei­len wert. Auch als der frisch ernann­te und ers­te Ber­li­ner Apos­to­li­sche Nun­ti­us, ein gewis­ser Euge­nio Pacel­li, mit Ebert zusam­men­traf, berich­te­te der Bote” (11. Juli 1920). Zuvor war Pacel­li, der spä­te­re Papst Pius XII., Nun­ti­us in Mün­chen, und besuch­te als sol­cher übri­gens auch den Gna­den­ort Alt­öt­ting: Am Fest­tag der hl. Eli­sa­beth habe er im Anbe­tungs-Kirch­lein des St. Kres­zen­ti­en-Mis­si­ons­klos­ters einen fei­er­li­chen Got­tes­dienst” abge­hal­ten, berich­te­te unse­re Sonn­tags­zei­tung am 23. Novem­ber 1919.

2020 125 jahre aoelfb gnadenbildflucht titel 18mai1919 Foto: Altöttinger Liebfrauenbote
Der Altöttinger Stadtpfarrer Prälat Franz Xaver Konrad berichtete in mehreren Ausgaben des "Altöttinger Liebfrauenboten" von der "Gnadenbildflucht" nach Passau während der Revolutionswirren in Bayern im April 1919, zuerst in der Ausgabe vom 18. Mai 1919.

Selbst­ver­ständ­lich berich­te­te der Bote” auch aus dem Gna­den­ort, von Pil­gern, die kamen und um Frie­den baten. Von Gebets­er­hö­run­gen” ist zu lesen. Die poli­ti­sche Lage nach 1918 sorg­te auch im ruhi­gen Alt­öt­ting für Unru­he. Zeug­nis davon lie­fert die Gna­den­bild­flucht” im April 1919: Der Alt­öt­tin­ger Stadt­pfar­rer Prä­lat Franz Xaver Kon­rad brach­te es nach Pas­sau. Er wit­ter­te eine unmit­tel­ba­re Gefahr” auf­grund her­an­rü­cken­der Spar­ta­kis­ten. In einer Serie über meh­re­re Aus­ga­ben 1919 schrieb der Prä­lat – nach der Grün­dung 1895 war Kon­rad übri­gens der ers­te Boten”-Redakteur – über die Grün­de der Gna­den­bild­flucht und blick­te auch auf jene wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges 1632 zurück. Nur dass die Gefahr 1919, im Nach­hin­ein betrach­tet, so groß gar nicht war – nur kurz war die Pha­se der Räte­re­pu­blik in Bay­ern, die Revo­lu­ti­on wur­de blu­tig nie­der­ge­schla­gen. Der Alt­öt­tin­ger Kapu­zi­ner­pa­ter Cypri­an Fröh­lich beschwer­te sich spä­ter, dass ein sol­cher Schritt von so weit rei­chen­der Bedeu­tung (Anm.: die Gna­den­bild­flucht) aus einer durch die nach­fol­gen­den Ereig­nis­se in nichts gerecht­fer­tig­ten, über­trie­ben erschei­nen­den Ängst­lich­keit” nicht gesche­hen hät­te dürfen.

Einer Plün­de­rung wäre bei­na­he ein ganz beson­de­rer Alt­öt­tin­ger Schatz”, das Gol­de­ne Rössl, zum Opfer gefal­len. Am 16. Okto­ber 1921 berich­te­te der Bote” von einem Ein­bruch in die Alt­öt­tin­ger Schatz­kam­mer. Zwei nicht ganz 30-jäh­ri­ge Ban­di­ten aus Ber­lin wit­ter­ten offen­bar das schnel­le Geld”, ver­schaff­ten sich gewalt­sam Zugang zur Schatz­kam­mer. Die bei­den Ein­bre­cher wur­den auf fri­scher Tat ertappt, einer der bei­den muss­te die Tat bei einem fol­gen­den Schuss­wech­sel sogar mit dem Leben bezah­len. Auch das Rössl kam nicht unge­scho­ren” davon: die Ein­bre­cher beschä­dig­ten es schwer. Doch das kost­ba­re Schau­stück über­leb­te” die Tat, und ist heu­te noch in der Neu­en Schatz­kam­mer – Haus Papst Bene­dikt XVI.” zu bewundern.

2020 125 jahre aoelfb einbruch in die schatzkammer goldenes roessl1 16okt1921
Altöttinger Liebfrauenbote, Einbruch beim "Goldenen Rössl" in der Schatzkammer in Altötting, 16. Oktober 1921.
2020 125 jahre aoelfb einbruch in die schatzkammer goldenes roessl2 16okt1921
Altöttinger Liebfrauenbote, Einbruch beim "Goldenen Rössl" in der Schatzkammer in Altötting, 16. Oktober 1921.
2020 125 jahre aoelfb geschichte goldenes roessl 24mai2009
Der Altöttinger Liebfrauenbote zur Geschichte des "Goldenen Rössls" in der Ausgabe vom 24. Mai 2009.

Sehr aus­führ­lich berich­te­te der Bote” am 16. Okto­ber 1921 über den Ein­bruch in der Schatz­kam­mer in Alt­öt­ting. Die Geschich­te des Gol­de­nen Rössls” erzähl­te der Bote” u.a. in der Aus­ga­be vom 24. Mai 2009.

Eine besondere Heiratsanzeige

Apro­pos Bene­dikt XVI.: wie sehr der heu­te eme­ri­tier­te Papst mit dem Gna­den­ort Alt­öt­ting ver­bun­den ist, erzählt eine ganz ande­re Anek­do­te: Vie­le Hei­rats­an­zei­gen fin­den sich auch in den Aus­ga­ben in die­ser Zeit. Sie waren damals oft die ein­zi­ge Mög­lich­keit, einen Part­ner zu fin­den. Im Boten” ver­such­te es am 7. März und am 11. Juli 1920 der Staats­be­am­te Joseph Ratz­in­ger – und fand über die Annon­ce Maria Rie­ger. Die bei­den hei­ra­te­ten und beka­men eine Toch­ter und zwei Söh­ne. Aus dem jüngs­ten Kind, Sohn Joseph, wur­de am 19. April 2005 Papst Bene­dikt XVI.

2020 125 jahre aoelfb ratzinger heiratsanzeige 7maerz1920
Altöttinger Liebfrauenbote, Heiratsanzeige in der Ausgabe vom 7. März 1920 des Staatsbeamten Joseph Ratzinger, über die er seine spätere Frau Maria Rieger fand. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, u.a. der spätere Papst Benedikt XVI.
2020 125 jahre aoelfb ratzinger heiratsanzeige 11jul1920
Altöttinger Liebfrauenbote, Heiratsanzeige in der Ausgabe vom 11. Juli 1920 des Staatsbeamten Joseph Ratzinger, über die er seine spätere Frau Maria Rieger fand. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, u.a. der spätere Papst Benedikt XVI.

Über die Hei­rats­an­zei­gen im Alt­öt­tin­ger Lieb­frau­en­bo­ten fand der Staats­be­am­te Joseph Ratz­in­ger sei­ne Frau Maria Rie­ger. Aus der Ehe gin­gen drei Kin­der her­vor, u.a. der spä­te­re Papst Bene­dikt XVI.

Auch heu­te erhält Vater Bene­dikt die wöchent­li­chen Boten”-Ausgaben: mit Sonn­tags­le­sung und Impuls, Erzäh­lun­gen und Roman, Berich­ten aus Alt­öt­ting und von der Wall­fahrt sowie mit vie­len Repor­ta­gen und Berich­ten aus der bun­ten Welt der katho­li­schen Kir­che – und immer wie­der auch mit Berich­ten und Kom­men­ta­ren zur Poli­tik. Frie­de ist kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit. Vie­le Kriegs­schau­plät­ze der Welt erin­nern dar­an, wie auch der Blick in die Ver­gan­gen­heit, und eben­so Schil­lers Zei­len in sei­nem Lied von der Glo­cke”, in dem der berühm­te Dich­ter nicht nur das Hand­werk vom Glo­cken­guss, son­dern das Leben ganz all­ge­mein beschreibt. Der Bote” jeden­falls will ver­su­chen, sich an dem Lied immer wie­der zu ori­en­tie­ren: So leh­re sie, daß nichts bestehet, daß alles Irdi­sche ver­hallt … Freu­de die­ser Stadt bedeu­te, Frie­de sey ihr erst Geläute.”

Text: Micha­el Glaß

2020 125 jahre aoelfb friede auf erden titel 2jan1916 Foto: Altöttinger Liebfrauenbote
Altöttinger Liebfrauenbote, Titelbild "Friede auf Erden!" am 2. Januar 1916.

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