„Vom Venushof-Hansl müssen wir das Beten lernen“, sagte man in Parzham bei Bad Griesbach im niederbayerischen Rottal schon zu Lebzeiten über Johann Birndorfer, den späteren Heiligen Bruder Konrad. Und: „Wenn der kein Heiliger wird, wird es niemand.“ Vor 90 Jahren, am 15. Juni 1930, unternahm die katholische Kirche den ersten Schritt in diese Richtung. In einem festlichen Gottesdienst in Rom mit Papst Pius XI. wurde Bruder Konrad seliggesprochen, vier Jahre später, am 20. Mai 1934, dem Pfingstsonntag, folgte die Heiligsprechung durch denselben Papst.
Bereits am Tag nach der Einweihung der Basilika in Altötting, am 14. Oktober 1912, steht Br. Konrad im Mittelpunkt des kirchlichen Geschehens in Altötting. Seine Gebeine werden aus der Gruft erhoben. Sie befinden sich heute in einer Metallfigur in der Kirche am Kloster; das Haupt ruht davor und ist mit Seide umhüllt. Die Holz-Wachsfigur, die bis 1967 die Gebeine des Heiligen aufgenommen hatte, befindet sich in der Bruder-Konrad-Schatzkammer des Klosters, die zum Bruder-Konradfest im Jahr 2009 eingerichtet wurde.
Der knapp neunmonatige bischöfliche Seligsprechungsprozess mit der Befragung der Zeugen hatte bereits am 21. April 1914 begonnen. Der zehnmonatige päpstliche Prozess wird 1925 durchgeführt. Nach der Anerkennung von zwei Wundern erfolgt dann am 15. Juni 1930 die Seligsprechung. In Altötting war diese Seligsprechung zweimal im Jahr 1930 Anlass zu großen Festlichkeiten. „Altötting rüstet sich zu einem seiner größten Tage seiner tausendjährigen Geschichte. Altöttings Name wird heute hinausgetragen in die ganze weite Welt durch den demütigen stillen Pförtner von Altötting“, freute sich am 15. Juni 1930 in einer Sonntagsausgabe die Heimatzeitung Oettinger Anzeiger. Der „Altöttinger Liebfauenbote“ brachte ein „Festblatt zum Tage seiner Seligsprechung“ und berichtete in mehreren Ausgaben ausführlich.
Parallel zum Gottesdienst im Petersdom in Rom zelebrierte in Altötting der damalige Abt von Scheyern, Simon Landersdorfer, mit zahlreichen kirchlichen Würdenträgen, Altöttingern und Pilgern aus ganz Bayern ein Pontifikalamt. In der Seligsprechung in Rom nahmen als Vertreter Bayerns ebenfalls zahlreiche Pilger und Kardinal Michael Faulhaber aus München teil.
Der Zelebrant des Altöttinger Festgottesdienstes, Simon Landersdorfer, wurde 1936 durch Papst Pius XI. zum Bischof des Bistums Passau ernannt; er empfing am 28. Oktober 1936 im Passauer Dom durch Kardinal Faulhaber die Bischofsweihe. Aus Verehrung für den 1930 selig‑, und 1934 heiliggesprochenen Bruder Konrad von Parzham nahm Bischof Landersdorfer zusätzlich dessen Namen an. Bruder Konrad ist nicht nur dritter Patron des Bistums Passau, sondern wird auch als Helfer in allen Nöten verehrt und angerufen.
Eine Seligsprechung oder Beatifikation (v. lateinisch beatus „selig“, „glücklich“, facere „machen“, „tun“) ist in der römisch-katholischen Kirche ein kirchenrechtliches Verfahren, bei dessen Abschluss der Papst nach entsprechender Prüfung erklärt, dass ein Verstorbener als Seliger bezeichnet werden und als solcher öffentlich verehrt werden darf. Voraussetzung sind entweder das Martyrium oder ein heroischer Tugendgrad und – im Falle, dass es sich nicht um einen Märtyrer handelt – der Nachweis eines Wunders, das auf die Anrufung des Seligen und dessen Fürsprache bei Gott bewirkt wurde. Im Unterschied zur Heiligsprechung wird bei der Seligsprechung nur die Verehrung durch die Ortskirche gestattet.
Noch ein zweites Mal im Jahr 1930, in den Tagen vom 23. August bis zum Samstag, 6. September, standen im Wallfahrtsort Altötting große Feierlichkeiten zu Ehren des Seliggesprochenen aus dem hiesigen Kapuzinerkloster mit Reliquienprozession an.
Bauer, Wallfahrer, Heiliger
Der spätere Heilige, Johannes Birndorfer wurde am 22. Dezember 1818 auf dem „Venus-Hof“ in Parzham, wenige Kilometer von Griesbach entfernt, geboren. Er war das elfte von zwölf Kindern des Bauern Bartholomäus Birndorfer und seiner Frau Gertrude Niedermayer. Er arbeitete zunächst als Knecht auf dem elterlichen Hof im Rottal, den er übernehmen sollte, fühlte sich aber von Kindheit an zu Gott hingezogen.
Schon in seiner Jugend unternahm Hans Birndorfer viele Wallfahrten – etwa nach Passau-Mariahilf oder nach Aigen am Inn. In Aigen lebte auch der Benefiziat Dullinger, sein Beichtvater, der ihm den Weg nach Altötting ins Kloster wies.
Die endgültige Sicherheit über seinen weiteren Lebensweg bekam Hans Birndorfer bei einer Predigt, die er in der Wallfahrtskirche St. Anna bei Ering am Inn hörte. Er übergab seinen Geschwistern den Hof und trat 1849 in den Kapuzinerorden im damaligen Kloster St. Anna in Altötting ein. Eigentlich wollte er den Ordensnamen Franziskus annehmen – aus Verehrung für den Heiligen. Weil aber gerade ein Mönch namens Konrad verstorben war, bekam er diesen Namen.
Seit 1961 trägt das Kloster den Namen des Heiligen aus Altbayern. Dort versah er von 1852 an 41 Jahre lang den Dienst eines Pförtners. Da den Kapuzinern die Betreuung der Wallfahrer in Altötting oblag, war dies eine äußerst arbeitsintensive Aufgabe. „Er zeichnete sich durch Gebetseifer, stete Dienstbereitschaft und aufopfernde Liebe aus“, so die Überlieferung: „Er wurde vom Volk geliebt und von den Wallfahrern verehrt.“ Durch sie drang sein Name und Ruf weit über die Grenzen Bayerns hinaus. Er starb am 21. April 1894. In der Kirche des Klosters fand Konrad seine letzte Ruhestätte. Sie wurde 1953 in St. Konrad-Kirche umbenannt.
Die Menschen verehrten Konrad schon zu Lebzeiten wie einen Heiligen. Er verschenkte alles, was er besaß, selbst einen Teil seines Essens gab er den Bedürftigen, die an der Klosterpforte klopften. Nach seinem Tod beteten viele Gläubige um seine Fürbitte. Auch einige Wunder geschahen auf die Fürbitte des Heiligen Bruder Konrad hin.
Auch eine besondere Anekdote aus seinem Leben ist überliefert: An einem Nachmittag sind die besseren Speisen schon an der Pforte verteilt. Da kommt ein Bettler und bitte um etwas zu essen. Bruder Konrad holt ihm aus der Küche etwas Suppe. Der Bettler kostet davon und wirft dem Bruder die Schüssel mitsamt dem Inhalt vor die Füße. Dazu bemerkt er: „Die kannst Du selber fressen!“ Bruder Konrad hebt die Scherben auf und sagt mit Sanftmut: „Gell, Du magst sie nicht. Ich hol Dir eine andere.“
Spätere berichtet Pater Engelbert Drunkenpolz, Kapuziner aus Altötting (1909−1980): „Als ich einmal vor vielen Jahren in einer Strafanstalt die Beichte hörte, hat mir hernach ein alter Tippelbruder mit Tränen in den Augen erzählt: ‚Vor über 40 Jahr hab ich einmal dem Bruder Konrad die Suppenschüssel vor die Füße hingeworfen mit den Worten: Heuchler. Scheinheiliger Tropf. Friss die Suppe selber. Dann hat es sich gebückt und die Scherben aufgeklaubt, aber geschimpft hat er nicht. Und das druckt mi halt heut noch‘.“ Überliefert ist die Anekdote im Besuchertrakt des Klosters in Altötting.
Die bayerische und die ungarische Kapuzinerprovinz, die Diözese Passau, der Bonifatiusverein in Deutschland und das Seraphische Liebeswerk Altötting wählten ihn zum Patron bzw. Mitpatron. Eine unübersehbare Zahl kirchlicher und öffentlicher Einrichtungen wurde nach ihm benannt: Gotteshäuser und Kirchengemeinden, Heime und Werkstätten, Kindergärten, Bildungszentren und Schulen, Musikkreise, Orchester und Chöre sowie Straßen, Alleen und Apotheken. Sein Festtag ist der 21. April.
Seine Geburtsstätte, der 1750 erbaute Venushof, blieb bis in die 1950er-Jahre im Besitz seiner Verwandtschaft. Dann erwarb ein heimatvertriebener Bauer aus Schlesien den Hof. 1971 kaufte der Bruder-Konrad-Verein Parzham e.V. das Bauwerk und errichtete hier nach einer umfassenden Renovierung eine Wallfahrts- und Gedenkstätte.
Text: Ernst Deubelli