125 Jahre "Altöttinger Liebfrauenbote" – Von der Kaiserzeit bis ins 21. Jahrhundert eine Stimme christlichen Lebens
Am 6. Januar 2020, am Dreikönigstag, ist der Altöttinger Liebfrauenbote 125 Jahre alt geworden. Damit ist er eine der ältesten Kirchenzeitungen im Land. Als der "Bote" 1895 zum ersten Mal gedruckt wurde, regierte Prinzregent Luitpold in München und Kaiser Wilhelm II. in Berlin. In diesen Jahren der Aufbruchsstimmung unternahm der junge Geistliche Franz Xaver Konrad das Wagnis, mit dem Liebfrauenboten eine katholische Sonntagszeitung zu gründen. 125 Jahre sind seither vergangen, und viel hat sich verändert – auch das Bild unserer Wochenzeitung. Und es wird sich weiter verändern, denn wir gehen seit Januar 2020 mit dem Passauer Bistumsblatt unter dem Dach der Diözese Passau in eine gemeinsame Zukunft.
Ein Stich mit Gnadenbild, Kapellplatz und Neuöttinger Pfarrkirche schmückt die Titelseiten der jeweils acht Seiten umfassenden Ausgaben im Jahr 1895 und verrät unzweideutig die katholische Ausrichtung des Blatts sowie den Erscheinungsort und die enge Verbundenheit zum “Herzen Bayerns”. Fünf Jahre zuvor, 1890, war Reichskanzler Bismarck nach fast zwanzigjährigem “Kulturkampf” entlassen worden und in Bayern verstarb im selben Jahr Ministerratsvorsitzender Johann von Lutz, der sich vehement für eine Trennung von Staat und Kirche eingesetzt hatte. Damals lag die Gründung katholischer Zeitungen und Wochenblätter geradezu “in der Luft”. Doch wer gab das notwendige Kapital, wer lieferte die regelmäßigen Beiträge, wer sollte die Abonnenten werben?
Im Nachhinein betrachtet, muss man den Mut des jungen Geistlichen Franz Xaver Konrad, Kooperator (Kaplan) in Neuötting bewundern, der dieses Wagnis mit der Gründung des Altöttinger Liebfrauenboten 1895 unternommen hat – mit nicht viel mehr ausgestattet als mit Begeisterung, hohen Geistesgaben und vor allem mit großem Gottvertrauen. Konrad wurde später Stadtpfarrer in Altötting und nach der Wiedererrichtung des Chorherrnstifts dessen erster Stiftspropst – legendär durch seine abenteuerliche Flucht mit dem Gnadenbild nach Passau im Revolutionsjahr 1919 vor den anrückenden Revolutionären, unter denen der “Bote” erstmals Bekanntschaft mit politischer Zensur machen sollte.
" ... im Dienste der lieben Mutter Gottes.”
Am Sonntag, 2. Dezember 1894 ließ Konrad eine Art Flugblatt drucken. In dieser “Abonnements-Einladung” hieß es zur Motivation: “Unser hl. Vater Leo XIII. hat in einem Rundschreiben den Wunsch ausgesprochen, dass katholische Schriften, katholische Bücher, katholische Zeitungen immer mehr verbreitet werden sollen.” Weiter fordert der Papst, offenbar noch ganz unter dem Eindruck des zurückliegenden Kulturkampfes: “Die glaubenslose Presse wächst von Tag zu Tag und richtet dadurch von Tag zu Tag größeres Verderben an. Es gibt dagegen kein anderes, wirksameres Heilmittel, als dass in demselben Maße auch die katholische Presse wachse.” Denn, so Leo XIII. weiter: “Wenn glaubenslose Schriften das Land überschwemmen, dann müssen auch gläubige, echt katholische Schriften das Land überschwemmen, damit wenigstens diejenigen, welche guten Willens sind, gerettet werden”.
Nun, ganz so würde das heute wohl niemand mehr formulieren – die Notwendigkeit und Berechtigung kirchlicher Zeitungen aber ist auch in unseren Tagen unbestritten. Abgesehen vom Wunsch des Papstes gab es für Franz Xaver Konrad damals noch einen anderen “besonderen Zweck” für “unser Sonntagsblatt”: es sollte ein Bote Unserer Lieben Frau sein; “es steht also im Dienste der lieben Mutter Gottes.” Es ging dem Gründungsvater des Liebfrauenboten entschieden auch darum, die Wallfahrt zur Gnadenkapelle von Altötting in Geschichte und Gegenwart bekannter zu machen. Und so appelliert er am Ende seiner Werbeschrift: “Wir ersuchen die lieben Leser, das Probeblatt zu verbreiten und zur Ehre der Mutter Gottes recht viele Abonnenten zu gewinnen”.
Unterweisung und Unterhaltung
Das Bild der “Gnadenmutter von Altötting” schmückte nicht nur die “Abonnements-Einladung”, sondern – leicht verändert – auch die Titelseite der ersten regulären Ausgabe, eingerahmt von den Schriftleisten mit dem Titel: “Altöttinger Liebfrauenbote” darunter: “Herausgegeben von katholischen Geistlichen”. Darunter stand zu lesen: “Der ‘Altöttinger Liebfrauenbote’ erscheint jeden Sonntag und kostet vierteljährlich 50 Pfennige, monatlich 20 Pfennige”.
Gründungsvater Franz Xaver Konrad war darauf bedacht, seinen Lesern eine ausgewogene Mischung aus religiöser Unterweisung und Unterhaltung zu bieten: jede Ausgabe des Liebfrauenboten brachte einen volkstümlichen religiösen Leitartikel, einen Roman in Fortsetzungen, Erzählungen, Humor und Rätselecke, Nachrichten aus dem kirchlichen Leben sowie ausführliche Berichterstattung über das Wallfahrtsleben und über die Veranstaltungen der Altöttinger Männerkongregation.
Auf Fr. X. Konrad folgte noch im Gründungsjahr Kooperator Max Eglseder und 1897 schließlich Pfarrer Jakob F. Bussereau, Gründer der Kongregation der St. Paulus-Schwestern und Direktor der St. Paulus-Stifte im pfälzischen Herxheim und in Neuötting, als Chefredakteur des Liebfrauenboten. Nach Bussereaus Rückkehr in die pfälzische Heimat im Jahr 1905 ging der “Bote” durch Kauf in den Besitz der Marianischen Männerkongregation Altötting (MC) über und wurde fortan am Wallfahrtsort gedruckt, in der “Druckerei von Hans Büttner” in der Neuöttinger Straße 32. Auch wenn der Besitz dieses Druckhauses noch einmal wechselte – im Jahr 1911 erwarben die Brüder Josef und Dr. Hans Geiselberger den Büttner’schen Betrieb – bei der gleichen Adresse sollte die Zeitung für lange Zeit bleiben: 88 Jahre hindurch, bis zum Jahr 1993 hatte der Liebfrauenbote hier sein Domizil.
Von den Nazis verboten
Mit dem Umzug nach Altötting war auch ein Wechsel in der Redaktion verbunden. Als verantwortlicher Redakteur zeichnete fortan H. H. Karl Vogl, Benefiziat in Holzhausen, Post Neuötting. Er, ein journalistisches “Naturtalent” von hohen Graden, prägte weit über die engere bayerische Heimat hinaus das Erscheinungsbild des “Altöttinger Liebfrauenboten”. Nach den Wirren von Erstem Weltkrieg, Bayerischer Räterepublik, Inflation, Hitlerputsch 1923, “Schwarzem Freitag” von 1929 und den Jahren der Massenarbeitslosigkeit gehörte Karl Vogl zu den schärfsten und klarsichtigsten Kommentatoren des aufstrebenden Nationalsozialismus.
Doch nach der “Machtergreifung” 1933 präsentierten die Nationalsozialisten Vogl für seinen unerschrockenen Einsatz die Rechnung: Als eine der ersten deutschen Zeitungen wurde der den neuen Machthabern missliebige Altöttinger Liebfrauenbote schon wenige Tage nach Hitlers Machtübernahme verboten, zunächst für zwei Wochen, und anschließend Ausgabe für Ausgabe zensiert. “Botenpfarrer” Karl Vogl legte die Redaktion trotz der Bitten des Verlages nieder, denn er konnte seines Lebens nicht mehr sicher sein. Er verbrachte sein weiteres Leben zurückgezogen als Seelsorger und starb 1941.
"Wiedergeburt" im September 1948
Durch die Praxis der Lizenzvergabe seitens der amerikanischen Besatzungsmacht zögerte sich die Wiedergeburt des Altöttinger Liebfrauenboten nach dem Krieg bis zum September 1948 hinaus. Mit einem herzlichen “Grüß Euch Gott” und der Lizenznummer US‑E 137 meldete sich der “Bote” 1948 mit seiner Nummer 1 bei seinen Lesern zurück. Die Verlegerschaft lag bei Dr. Hans Geiselberger, der einen neuen Chefredakteur gewonnen hatte: Heinrich Becker. An seiner Seite stand als geistlicher Beirat der unvergessene Präses der Marianischen Männerkongregation, Kapuzinerpater Willehald Schlarnhaufer.
Im Herbst 1974 folgte auf Heinrich Becker sein Sohn Peter Becker als Chefredakteur des Liebfrauenboten, Pater Kosmas Wührer wurde nach dem Tod von P. Willehald Schlarnhaufer im Jahre 1979 mit dem Amt des Präses der Altöttinger Männerkongregation, der Herausgeberschaft des Liebfrauenboten und der Aufgabe des geistlichen Beirats betraut. Die Geschäftsführung hatte Bernhard Neumeier als Nachfolger von Dr. Oskar Bender übernommen, Verlagsleiter war Peter Friedrich.
Konkurrenzdruck und Säkularisierung
Der Wiederaufbau des Boten seit den 50er-Jahren hatte sich gut entwickelt, doch die neuen Zeiten forderten zunehmend auch ihren Tribut. Vor dem Krieg hatte der “Bote” Konkurrenzdruck kaum gekannt, nun bekam auch er, der sich seit je und bis heute wirtschaftlich selbst zu tragen hat, ihn zu spüren. Dazu gesellten sich schon seit den frühen 60er-Jahren nachhaltige Säkularisierungsentwicklungen in Gesellschaft und Kirche, die auch am “Boten” nicht vorübergingen.
Auch der technische Fortschritt brachte manche Veränderung: Dem althergebrachten Bleisatz nach Gutenbergscher Manier folgte 1986 die Umstellung auf Fotosatz. 1993 schließlich musste sich der Botenverlag technischen Zwängen folgend, von dem Druckhaus trennen, in dem er von 1905 an technisch hergestellt worden war. Seit April 1993 wird der Bote nun im eigenen Hause auf Computer digital bis zur Druckreife hergestellt und dann im Druckzentrum der Passauer Neuen Presse in Passau-Sperrwies auf einer modernen Offset-Rotationsmaschine gedruckt.
Hinein ins Zeitalter der Neuen Medien
Nach der Ära Becker übernahm im Februar 2007 Wolfgang Terhörst die Chefredaktion des Liebfrauenboten. Kraftvoll unterstützt durch die MC-Präses und “Botenpfarrer” Pater Marinus Parzinger (bis Februar 2009) und Pater Georg Greimel sowie im Team mit Verlagsleiterin und Geschäftsführerin Barbara Kieswimmer, Redakteur Michael Glaß und Redaktionsassistentin Roswitha Dorfner nahm er die Herausforderung an, das ehrwürdige Sonntagsblatt in das Zeitalter der Neuen Medien hinein- und an eine jüngere Leserschaft heranzuführen.
Im Grunde genommen hat sich am Gründungsauftrag des Altöttinger Liebfrauenboten (siehe oben im Text) bis heute nichts geändert. Doch hat sich der Fokus auf die Weltkirche geweitet, neue Themen sind hinzugekommen, das Layout wurde modernisiert und ein Internet-Auftritt geschaffen – ganz wie im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils die Kirche eine “ecclesia semper reformanda” ist. Oder wie es Konzilspapst Paul VI. formulierte: Es gelte stets, auf die “Hand Gottes” in Kirche und Welt zu achten und seinem Fingerzeig zu folgen. Diesem Wandel in Beständigkeit wollen wir auch in Zukunft treu bleiben – nicht nur um Gott und der Mutter Gottes zu dienen, sondern vor allem auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.
Text: Altöttinger Liebfrauenbote